Erdgeschichte erleben im UNESCO Global Geopark Harz. Braunschweiger Land. Ostfalen

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Redaktioneller Artikel
Beate Ziehres
16. Mai 2021

An Videokonferenzen haben wir uns gewöhnt und lange genug von Ausflügen und Entdeckertouren geträumt. Nun habe ich tatsächlich wieder einmal eine Verabredung im wahren Leben und treffe einen echten Menschen: Deborah Trümer. Sie ist für die Öffentlichkeitsarbeit des „UNESCO Global Geopark Harz. Braunschweiger Land. Ostfalen“, den größten Geopark Deutschlands, zuständig.
© Geopark HBLO/H.Preller

Wir treffen uns pandemiekonform und zugleich stilecht an den Lübbensteinen in Helmstedt. Die Sonne scheint, die Hummeln brummen um uns herum – und wir genießen beide diesen Termin. Für alle, die den kultigen St. Annenberg westlich von Helmstedt nicht kennen: Die teils aufrecht stehenden riesigen Knollenquarzite sind Reste zweier Großsteingräber aus der Jungsteinzeit. An dieser Stelle haben Menschen vor 5.500 Jahren ihre Toten bestattet.

Braunschweiger Land als „Klassische Quadratmeilen der Geologie“

Der „Geopark Harz. Braunschweiger Land. Ostfalen“ erstreckt sich von Peine bis nach Oschersleben (Börde) und von Wolfsburg bis Nordhausen in Thüringen. Die geologisch einzigartige Landschaft des Braunschweiger Lands ist durch Salzaufstieg im Untergrund und durch mehrfache Meeresvorstöße entstanden.

Sie ist reich an Rohstofflagerstätten, gewährt tiefe Einblicke in die Erdgeschichte und gilt deshalb als „Klassische Quadratmeilen der Geologie“. In diesem Lebensraum wurden Zeugen frühester menschlicher Besiedlung gefunden, so zum Beispiel die hölzernen Speere des Homo heidelbergensis aus dem Tagebau Schöningen und ein Jägerlager von Neandertalern in Salzgitter.

Auf den 9600 Quadratkilometern liegen ungezählte Geopunkte und Geopfade. Da die riesige Fläche nicht von einem einzigen Ort aus betreut werden kann, ist der Geopark in die beiden Bereiche Nord und Süd aufgeteilt. Deborah Trümer arbeitet in der Geopark-Geschäftsstelle in Königslutter und ist damit für den Bereich Nord zuständig.

Von Geopfaden, Geopunkten und Landmarken

„Wir haben im Nordteil rund 15 Geopfade, sehr viele Erlebnis- und Geopunkte und weit über 200 Infotafeln“, erklärt Deborah Trümer. Als ob diese Zahlen und Begriffe nicht reichten, um mich zu verwirren, fügt sie noch hinzu, dass das ganze Gebiet in Landmarken aufgeteilt sei.

Ein Beispiel: Landmarke 30 ist der Braunschweiger Löwe. Dazu zählen neben dem namensgebenden Löwen, der Burg Dankwarderode mit dem Burgplatz und dem Dom auch der Geopunkt Dowesee und das Staatliche Naturhistorische Museum mit einem Geopark-Infozentrum.

„Der Geopark – das ist mehr als Geologie. Es geht auch um Menschen, Geschichte, Kultur und Kulturgeschichte“, beschreibt Deborah Trümer das Selbstverständnis eines Geoparks. So können Geopunkte auch kulturelle oder botanische Besonderheiten markieren.

Ein Beispiel aus der Botanik sind die derzeit blühenden Adonisröschen am Heeseberg. Der Halbtrockenrasen, auf dem die gelben Publikumslieblinge so gut gedeihen, ist einer geologischen Besonderheit im Heeseberg-Gebiet zu verdanken. Und so schließt sich der Kreis.

Programm für 2021 mit 320 Veranstaltungen

Die ganze Themenvielfalt des „UNESCO Global Geopark Harz. Braunschweiger Land. Ostfalen“ spiegelt sich auch im alljährlichen Veranstaltungsprogramm wider. 132 Seiten stark ist das Programmheft und es weist 320 Veranstaltungen aus. Sie sollen im ganzen Gebiet des Geoparks stattfinden. Dazu zählen ungezählte öffentliche Führungen. Alleine 80 Führungen bietet der Geopark an. Sie werden von zehn Mitarbeitern, sogenannten Geo-Guides, geleitet.

Ein Blick zeigt, dass die erste Veranstaltung „Frühblüher in der Asse“ für Anfang April vorgesehen war. Sie musste abgesagt werden, ebenso wie eine geologische Rundwanderung durch den Dorm. Aktuell dürfen Landschaftsführungen wieder stattfinden, solange der Inzidenzwert unter 100 bleibt. „Wir starten in der kommenden Woche“, freut sich Deborah Trümer.

Eine Führung, die Trümer besonders am Herzen liegt, konnte verschoben werden. „Ölschieferabbau und das KZ-Außenlager Schandelah-Wohld“ war für den 8. Mai eingeplant und findet jetzt am 30. Mai statt. Diplom-Ingenieurin Ulrike Siemens erläutert die Geschichte des KZ-Außenlagers sowie die geologischen und technischen Hintergründe des Ölschieferabbaus. „Hier treffen die Themen Ressourcen und Geologie mit Geschichte zusammen, Nachhaltigkeit spielt da auch eine Rolle“, erklärt Deborah Trümer. Deshalb wurde die Führung im Rahmen der BNE (Bildung für nachhaltige Entwicklung)-Wochen der UNESCO anerkannt.

Spannende Exkursionen bis Dezember geplant

Das Veranstaltungsprogramm reicht bis in den Dezember und enthält auch eine Vorschau auf 2022. Und: Es macht Lust auf Exkursionen aller Art. Das Weltkulturerbe Rammelsberg lädt beispielsweise im Oktober zu „Geschichten von Reisen in den Berg“ ein. Im Roeder-Stollen lauschen die Teilnehmer den Zitaten von Reisenden und erfahren so, wie frühere Rammelsberg-Besucher die Einfahrt in die Grube erlebten. Der Geopark ermuntert zum gemeinsamen Waldbaden im Dorm und Kinder gehen in der Kaiserpfalz Werla auf Zeitreise.

Fachleute stellen uralte Handarbeitstechniken vor und die schönsten Fachwerkstädte am Harz präsentieren sich im romantischen Lichterglanz. Das ist zwar noch ein Weilchen hin, aber Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude. Das komplette Jahresprogramm für 2021 kann hier heruntergeladen werden.

Lebendige Erdgeschichte im Geopark-Informationszentrum

Zwar öffnet das Geopark-Infozentrum in Königslutter erst am 25. Mai wieder. Doch schon heute kann ich einen Besuch im Infozentrum empfehlen. Die beliebte Einrichtung versteht sich als Portal zum Geopark im Gebiet des Braunschweiger Lands und Ostfalens und beheimatet auch ein Museum der Erdgeschichte.

Auf vier Stockwerken entdecken die Besucher die spannende Landschafts- und Erdgeschichte der Region. Sie gehen auf Zeitreise durch 290 Millionen Jahre. Zeugen der Vergangenheit sind nicht nur Mineralien und Versteinerungen, sondern auch das fünf Meter lange Skelett eines Fischsauriers aus der Jurazeit.

Der steinzeitliche Siedlungsraum wird anhand von lebensgroßen Figuren des Frühmenschen, des Neandertalers und des heutigen Homo sapiens lebendig. „Anhand ihrer Kleidung beziehungsweise Nicht-Bekleidung lässt sich ableiten, welches Klima zu ihrer jeweiligen Zeit geherrscht hat“, sagt Deborah Trümer. Auch die Werkzeuge unserer Vorfahren sind im Dachgeschoss zu sehen.


Baby-Axolotl ziehen bald ein

Lebendige Tiere und Pflanzen schlagen im Geopark-Infozentrum eine Brücke zu längst ausgestorbenen Spezies. In einem Aquarium halten die Mitarbeiter des Infozentrums Axolotl – zur Freude der Besucher. Die ruhigere Zeit während der Pandemie hat Geschäftsstellenleiter Dr. Henning Zellmer genutzt, um zu groß gewordene Tiere in ein größeres Becken umzusiedeln und junge Amphibien nachzuziehen.

„Die Baby-Axolotl werden im Sommer oder im Herbst von unserem Büro ins Museum ziehen“, verspricht Deborah Trümer. „Sie sind jetzt einige Monate alt, mittlerweile 10 bis 15 Zentimeter groß und man kann schon alles erkennen.“ Axolotl leben ausschließlich unter Wasser, aber auf dem Boden.  

Für das Füttern der urzeitlich anmutenden Tiere aus Mexiko ist Trümer mit verantwortlich. Das heißt, dass frisch gekaufte Flusskrebse „mundgerecht“ geschnitten werden müssen. Doch Axolotl fressen auch gerne lebendige Mitbewohner. Vielleicht rührt daher ihr Name, der in der Sprache der Azteken etwa „Wasserungeheuer“ bedeutet. „Im Becken sind einige Guppys, die müssen hin und wieder auch als Futter herhalten“, hat Deborah Trümer festgestellt.

Die Schwanzlurche mit dem freundlichen Gesicht stehen im Geopark-Infozentrum für einen entscheidenden Schritt der Weiterentwicklung des Lebens auf der Erde. Lurche waren es, die vor etwa 370 Millionen Jahren als erste Wirbeltiere das Land eroberten. Die Amphibien nehmen eine Mittlerrolle ein zwischen Fischen und Reptilien, die ans Landleben angepasst sind.

Zurück in die Jungsteinzeit

Nun muss ich jedoch wieder einen Zeitsprung machen. Als ich mich von Deborah Trümer verabschiede, denke ich, ich wüsste alles über die Lübbensteine. Doch später am Schreibtisch stelle ich fest, dass ich mich geirrt habe. Ich muss noch einmal hin, diesmal am besten bei Sonnenuntergang. An keinem Ort in und um Helmstedt ist der Sonnenuntergang vergleichbar zauberhaft wie an den Lübbensteinen.

Ich habe Glück und die mystische Grabstätte für mich alleine. Denn die Megalithgräber erfreuen sich großer Beliebtheit, nicht erst seit Corona. Doch in diesen Tagen bieten Geopfade und Geopunkte wie die Lübbensteine einen echten Vorteil: Wer Lust auf frische Luft und ein kleines Erlebnis hat, kann losziehen und auf eigene Faust die geologischen Besonderheiten der Region erkunden. Meine Frage nach ihren persönlichen Lieblingsorten innerhalb des „Geopark Harz. Braunschweiger Land. Ostfalen“ hat Deborah Trümer überfordert. „Es gibt so viele“, lacht sie.

Sie ist gerne in Erlebnissteinbrüchen, beispielsweise im Hainholz. Am Geopunkt Jurameer Schandelah weiß Trümer den Naturpfad Wohld und die Hütte zum Picknicken zu schätzen. Den Elfenpfad in Langeleben findet sie klasse, die Kaiserpfalz Werla gigantisch und die weißen Sande von Uhry traumhaft schön. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Der UNESCO Global Geopark Harz. Braunschweiger Land. Ostfalen ist ebenso ein zeitORT wie das Geopark-Infozentrum in Königslutter sowie weitere Geopark-Infozentren in der Region.

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