Wasserburg Gebhardshagen: Sorgenkind im Dornröschenschlaf

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Redaktioneller Artikel
Beate Ziehres
22. September 2020

Auf der Burg Gebhardshagen ist immer was los. Und das seit rund 900 Jahren. Eigentlich. Denn dieses Jahr ist in mancher Hinsicht eine Ausnahme. Das erfahre ich bei meinem Besuch auf dem riesigen Burggelände in Salzgitter. Im Mittelalter ritten die Ritter in ihren Rüstungen in den Palas, den Rittersaal, hinein. 2020 liegen Schwerter und anderes mittelalterliches Equipment unberührt im Bullenstall.


Obwohl die Enttäuschung darüber riesengroß war, dachte das Orga-Team über ein mittelalterliches Spektakel zum Tag des offenen Denkmals nach. Doch Bremer riet davon ab, noch mehr Herzblut und Zeit in eine Veranstaltung zu investieren, die wieder auf wackeligen Beinen gestanden hätte. „Dieses Jahr findet hier nichts mehr statt“, sagt er und zuckt mit den Schultern.

Die Burg Gebhardshagen ist neu im Verbund der zeitORTE. Deshalb nehme ich die friedliche Ruhe im Innenhof zum Anlass, das mittelalterliche Geschehen auf der Wasserburg vor meinem geistigen Auge aufleben zu lassen. Die Anlage gehört zu den ältesten Wasserburgen in der Region Braunschweig-Wolfsburg. Im Jahr 1406 und während des 30jährigen Kriegs wurde die Burg zerstört und wieder aufgebaut.




Mittelaltermarkt findet dieses Jahr nicht statt .

Jeden Sommer lassen die Mitglieder des Fördervereins Wasserburg Gebhardshagen e. V. die alten Zeiten wieder aufleben. Zum Spectaculum gebhardi hagensis, dem Mittelaltermarkt in Gebhardshagen, bevölkern Gaukler, Musikanten, redliche Handwerker und feilschende Händler den Burghof. Ritter kommen zu Besuch, bauen ihr Lager auf und lassen die Schwerter klingen. „Alles war vorbereitet. Wenige Tage vor der Veranstaltung wurde der Mittelaltermarkt dann abgesagt“, berichtet Karl-Heinz Bremer, Vorsitzender des Fördervereins.

Obwohl die Enttäuschung darüber riesengroß war, dachte das Orga-Team über ein mittelalterliches Spektakel zum Tag des offenen Denkmals nach. Doch Bremer riet davon ab, noch mehr Herzblut und Zeit in eine Veranstaltung zu investieren, die wieder auf wackeligen Beinen gestanden hätte. „Dieses Jahr findet hier nichts mehr statt“, sagt er und zuckt mit den Schultern.

Die Burg Gebhardshagen ist neu im Verbund der zeitORTE. Deshalb nehme ich die friedliche Ruhe im Innenhof zum Anlass, das mittelalterliche Geschehen auf der Wasserburg vor meinem geistigen Auge aufleben zu lassen. Die Anlage gehört zu den ältesten Wasserburgen in der Region Braunschweig-Wolfsburg. Im Jahr 1406 und während des 30jährigen Kriegs wurde die Burg zerstört und wieder aufgebaut.

Lebendiges Mittelalter auf der Wasserburg Gebhardshagen

Aus dem 16. Jahrhundert – damals wurde die Burg herzoglicher Gerichts- und Amtssitz – stammt das Amtshaus. Es steht gegenüber vom Herrenhaus im Innenhof. Hinter dem kleinen Fenster neben der ersten Treppenstufe sei das Verlies gewesen, erklärt mir Karl-Heinz Bremer. Hier soll es sich zugetragen haben, dass ein Gefangener geflohen ist und gleich den Wächter, der vor dem Haus stand, mitgenommen hat.

Später – ab der Mitte des 17. Jahrhunderts – wurde die Burg landwirtschaftliche Domäne. Und schon zu dieser Zeit wurde hier Geschichte geschrieben. Denn als Charlotte von Münchhausen, die Schwägerin von Baron Münchhausen, ab 1796 die Leitung der Domäne Gebhardshagen übernahm, war sie eine der ersten Frauen Deutschlands in dieser Position. Der Pachtvertrag mit der Witwe des vorherigen Pächters umfasste den Betrieb mit Ackerbau, Wiesen, Gärten, Teichen, Schäferei, Weide und die hauseigene Brauerei. Zum Zeitpunkt ihres Todes im Jahr 1831 sollen nahezu 40 Arbeitskräfte das Ackerland bewirtschaftet haben. Es gab etwa 30 Pferde, 60 Kühe, 50 Schweine und 1.100 Schafe.

Gutshof im Besitz eines Stahlwerks

Im 20. Jahrhundert wendet sich das Blatt für den florierenden Betrieb. 1938 übernimmt die Reichswerke-Umsiedlungsgesellschaft die Domäne. Ein großer Teil der Ländereien wird für den Bau von Industrieanlagen der Reichswerke Hermann Göring und für den Bau von Wohnungen entnommen. Zu dieser Zeit sollen auch Kriegsgefangene auf dem Gut gearbeitet haben. In den Jahrzehnten nach dem Krieg entwickelt sich die Domäne weiter zum Großbetrieb, 1986 wird der landwirtschaftliche Betrieb im Besitz der Salzgitter AG stillgelegt.

Ritterburg-Spielplatz als Familienattraktion

Dass jetzt immer wieder Kinderlachen zu mir in den Innenhof schallt, ist der neuesten Attraktion auf dem Burggelände zu verdanken. Der Ritterburg-Spielplatz genießt inzwischen überregionale Bekanntheit. Stundenlang können sich die Kinder auf „ihrer“ hölzernen Ritterburg vergnügen. Dies sagt schon etwas über die beachtlichen Ausmaße des Spielplatzes aus. Den Eltern und Großeltern bietet sich die Möglichkeit, auf Sitzmöbeln in der Niederung Platz zu nehmen und ihren mitgebrachten Kaffee zu genießen. Ok, wie auf einer Ritterburg nicht anders zu erwarten, müssen sie auch hin und wieder einen Streit zwischen den Nachwuchsrittern schlichten.

Karl-Heinz Bremer treibt indes die Sorge um, was aus den sanierungsbedürftigen Gutsgebäuden werden soll. Was jetzt im Amtshaus ist, frage ich ihn. Wie die ehemalige Brauerei und die frühere Böttcherei heute genutzt werden? Bremers Antwort ist stets die gleiche: „Alles leer“, sagt er ein ums andere Mal. Noch trauriger ist das Schicksal des Kuhstalls. Er ist nicht leer, sondern steht voll mit Stützen, die das Dach vor dem Einsturz bewahren sollen.

Pferdestall wurde Veranstaltungszentrum

Seit 1990 ist die Stadt Salzgitter Besitzer des kompletten Geländes und der Gebäude, die aus den unterschiedlichsten Epochen stammen. Den Pferdestall mit anschließendem Hofmeisterhaus haben Berufsschüler aus ganz Europa restauriert und in ein Veranstaltungszentrum verwandelt. “Sie haben das Gebäude, das am Ende des 17. Jahrhunderts entstanden ist, entkernt und die Balken mit der Drahtbürste sauber geschrubbt“, erinnert sich Bremer. Heute bietet der Pferdestall 150 Personen Sitzgelegenheit. Im Winterhalbjahr finden hier regelmäßig Kabarettveranstaltungen statt und auch für andere Anlässe wird der Pferdestall gerne genutzt.

Der Förderverein Wasserburg Gebhardshagen hat auch dafür gesorgt, dass das Herrenhaus wieder nutzbar ist. Karl-Heinz Bremer schließt die doppelflügelige Tür auf, die beim Öffnen leise knarrt, und ich verliebe mich schlagartig in die Diele. Genauer gesagt in die Standuhr, die Fliesen und die alte Treppe mit dem Holzgeländer. Der Vorsitzende des Fördervereins führt mich ins Trauzimmer und zeigt mir außerdem mehrere Sitzungsräume und die moderne Küche.

Wasserburg Gebhardshagen: Idyll mit kleinen Schönheitsfehlern

Ich fühle mich wie ein Burgfräulein und bestehe darauf, auch den Gewölbekeller zu sehen, in dem hemmungslos gezecht werden kann. Für das Obergeschoss des historischen Gebäudes hat man übrigens, wie Bremer berichtet, einen Wunschmieter ins Auge gefasst. Hier soll die Polizei einziehen. Die Anwesenheit der Ordnungshüter könnte vielleicht, so der Hintergedanke der Hausherren, für etwas Ruhe auf dem Domänenhof sorgen. Denn der große, asphaltierte Hof ist ein beliebter Treffpunkt für Jugendliche. Die gewaltige Freifläche lädt offensichtlich dazu ein, beispielsweise schwarze Gummistreifen auf den Asphalt zu malen.

Mir persönlich ist da der kopfsteingepflasterte Innenhof lieber. Wie liebevoll drapiert verzieren bunte Blätter und Kastanien die historischen Steine, die kürzlich neu verlegt wurden. Eine kleine Familie nutzt das Idyll, um in Influencer-Manier vor der Kamera zu posieren. Der Kulisse tut es keinen Abbruch, dass die Wasserburg seit dem 19. Jahrhundert nur noch eine Burg ohne Wassergraben ist. Und dass die pittoresken Fachwerkgebäude unbewohnt sind. Dennoch: Diese Burg hat Potenzial. Und fast wünsche ich mir für Gebhardshagen, dass ein reicher Prinz mit einem schlüssigen Nutzungskonzept in der Tasche des Weges käme und das hübsche Kleinod aus dem Dornröschenschlaf erweckte.

Hinweis: Weiterführende Informationen über die Wasserburg Gebhardshagen, den Förderverein oder den Kalender erhalten Sie über http://www.wasserburg-gebhardshagen.de/


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