Auf Lessings Spuren

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Spaziergang
Eine Tour durch Wolfenbüttel auf Lessings Spuren.

Gotthold Ephraim Lessing (1729 – 1781), der große deutsche Schriftsteller der Aufklärungszeit, verbrachte sein letztes Lebensjahrzehnt als Leiter der Herzoglichen Bibliothek in Wolfenbüttel. Hier hat er einige seiner bedeutendsten Werke verfasst, Emilia Galotti, Nathan der Weise und Die Erziehung des Menschengeschlechts, hier hat er den wohl folgenreichsten theologischen Disput des deutschen 18. Jahrhunderts geführt, den sogenannten Fragmentenstreit. Auch persönlich waren die Wolfenbütteler Jahre für Lessing eine ereignisreiche Zeit; so verlebte er hier von 1776 – 77 nach der Heirat mit Eva König und dem Umzug ins Meißnerhaus das wohl glücklichste Jahr seines Lebens.  Als er 1770 im Alter von 42 Jahren in Wolfenbüttel eintrifft, ist Lessing bereits ein bekannter Schriftsteller. Seine finanziellen Sorgen sind freilich so groß, dass er die lebenslang gehegten Vorbehalte gegenüber »allem, was einem Amte ähnlich sah«, aufgeben musste. Der Versuch, in Hamburg ein deutsches Nationaltheater zu etablieren war fehlgeschlagen, ebenso die Gründung eines Druckerei- und Verlagsunternehmens. In Wolfenbüttel nun erhält der neu ernannte Bibliothekar eine feste Anstellung, »sechs hundert Thaler Gehalt, nebst freyer Wohnung und Holz auf dem fürstl. Schloße«; er schreibt kurz nach seiner Ankunft: »Ich habe alle Gründe zu hoffen, dass ich hier recht glükklich leben werde«.  Doch Wolfenbüttel ist nach dem Fortzug des Hofes nach Braunschweig 1753 keine Residenzstadt mehr, Handwerker und Kaufleute müssen den Verlust ihrer Kundschaft hinnehmen, die Einwohnerzahl sinkt und Lessing vermisst schon bald die geistreiche Geselligkeit, die er in Leipzig und Berlin, Breslau und Hamburg genossen hatte. Freunde und Bekannte wird er deshalb verstärkt im Kreis der Braunschweiger Gelehrten suchen.  Mehr noch, die Jahre im »verwunschenen « Schloss, dessen einziger Bewohner er ist, machen den Dichter einsam, er neigt zu Melancholie und Bitterkeit, vor allem, als kurz nach dem Umzug der Familie Lessing Ende Dezember 1777 in das Schäffersche Haus – das heutige Lessinghaus – der Sohn Traugott nur einen Tag nach der Geburt stirbt und die Mutter zwei Wochen später dem Kindbettfieber erliegt.  Wer Lessings Wegen in Wolfenbüttel nachgeht, sollte also auch daran denken, dass der große Schriftsteller mit der kleinen Stadt sich lange schwergetan hat – wie umgekehrt auch Wolfenbüttel mit Lessing. Der hier angeregte Gang durch das historische Wolfenbüttel soll etwas von der Vielfalt seiner Bekanntschaften und sozialen Verbindungen zeigen – vom Kutscher, der den Dichter nach Braunschweig bringt, über den Bibliothekssekretär, den Vorgesetzten, Leibarzt, Schachpartner und die wenigen Freunde bis hin zum Pfarrer, der von der Kanzel der Hauptkirche aus gegen den vermeintlichen Freigeist predigt.  Vielleicht führt der Weg durch die Lessingstadt den einen oder anderen ja auch zu den Werken des Dichters. Schon der junge Lessing schrieb: »Wir wollen weniger erhoben / Und fleissiger gelesen seyn.« 

Gut zu wissen

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Wegbeschreibung

Station 1: Gotthold Ephraim Lessing (1729 – 1781), der große deutsche Schriftsteller der Aufklärungszeit, verbrachte sein letztes Lebensjahrzehnt als Leiter der Herzoglichen Bibliothek in Wolfenbüttel. Hier hat er einige seiner bedeutendsten Werke verfasst, Emilia Galotti, Nathan der Weise und Die Erziehung des Menschengeschlechts, hier hat er den wohl folgenreichsten theologischen Disput des deutschen 18. Jahrhunderts geführt, den sogenannten Fragmentenstreit. Auch persönlich waren die Wolfenbütteler Jahre für Lessing eine ereignisreiche Zeit; so verlebte er hier von 1776 – 77 nach der Heirat mit Eva König und dem Umzug ins Meißnerhaus das wohl glücklichste Jahr seines Lebens.  Als er 1770 im Alter von 42 Jahren in Wolfenbüttel eintrifft, ist Lessing bereits ein bekannter Schriftsteller. Seine finanziellen Sorgen sind freilich so groß, dass er die lebenslang gehegten Vorbehalte gegenüber »allem, was einem Amte ähnlich sah«, aufgeben musste. Der Versuch, in Hamburg ein deutsches Nationaltheater zu etablieren war fehlgeschlagen, ebenso die Gründung eines Druckerei- und Verlagsunternehmens. In Wolfenbüttel nun erhält der neu ernannte Bibliothekar eine feste Anstellung, »sechs hundert Thaler Gehalt, nebst freyer Wohnung und Holz auf dem fürstl. Schloße«; er schreibt kurz nach seiner Ankunft: »Ich habe alle Gründe zu hoffen, dass ich hier recht glükklich leben werde«.  Doch Wolfenbüttel ist nach dem Fortzug des Hofes nach Braunschweig 1753 keine Residenzstadt mehr, Handwerker und Kaufleute müssen den Verlust ihrer Kundschaft hinnehmen, die Einwohnerzahl sinkt und Lessing vermisst schon bald die geistreiche Geselligkeit, die er in Leipzig und Berlin, Breslau und Hamburg genossen hatte. Freunde und Bekannte wird er deshalb verstärkt im Kreis der Braunschweiger Gelehrten suchen.  Mehr noch, die Jahre im »verwunschenen « Schloss, dessen einziger Bewohner er ist, machen den Dichter einsam, er neigt zu Melancholie und Bitterkeit, vor allem, als kurz nach dem Umzug der Familie Lessing Ende Dezember 1777 in das Schäffersche Haus – das heutige Lessinghaus – der Sohn Traugott nur einen Tag nach der Geburt stirbt und die Mutter zwei Wochen später dem Kindbettfieber erliegt.  Wer Lessings Wegen in Wolfenbüttel nachgeht, sollte also auch daran denken, dass der große Schriftsteller mit der kleinen Stadt sich lange schwergetan hat – wie umgekehrt auch Wolfenbüttel mit Lessing. Der hier angeregte Gang durch das historische Wolfenbüttel soll etwas von der Vielfalt seiner Bekanntschaften und sozialen Verbindungen zeigen – vom Kutscher, der den Dichter nach Braunschweig bringt, über den Bibliothekssekretär, den Vorgesetzten, Leibarzt, Schachpartner und die wenigen Freunde bis hin zum Pfarrer, der von der Kanzel der Hauptkirche aus gegen den vermeintlichen Freigeist predigt.  Vielleicht führt der Weg durch die Lessingstadt den einen oder anderen ja auch zu den Werken des Dichters. Schon der junge Lessing schrieb: »Wir wollen weniger erhoben / Und fleissiger gelesen seyn.«  


 


Station 2: **Johann Christoph Meißner**   1695 – 1771 Buchhändler   Am Schlossplatz in Wolfenbüttel hatte der aus Hannover stammende Buchhändler Gottfried Freytag 1720 das große Haus für sein Geschäft errichtet und war kurz darauf gestorben. Seine Witwe überließ die Buchhandlung dem um 1695 geborenen, in der Firma tätigen Johann Christoph Meißner. Dieser erwirbt 1721 den Titel eines Hofbuchhändlers. Es ist die Blütezeit der Residenz, und viele Hofbeamte, die große Privatbibliotheken anlegten, gehören zu den vermögenden Kunden. Die Buchhandlung floriert.  Meißner, der jedes Jahr die Messen in Leipzig und Braunschweig besucht, veröffentlichte 1726 – 28 einen zweibändigen Lagerkatalog, den Conspectus Bibliothecae Meisnerianae sive Catalogus Librorum Universalis, der 22.100 Titel verzeichnet und durch 58 Supplemente über viele Jahre fortgesetzt wird. Es war im Buchhandel noch die Zeit des Tauschhandels Bogen gegen Bogen. Daraus ergibt sich die rege eigene Verlagstätigkeit. So setzt Meißner das gelehrte Programm seines Vorgängers fort. Doch die Zeiten änderten sich, das große Lager wurde ein totes Kapital. Zwar versucht der Buchhändler, durch Bücherlotterien die Einnahmen zu verbessern. Mit dem Fortzug des Hofes 1753/54 und dem Verlust der reichen Kundschaft aber geht es mit der Buchhandlung immer weiter bergab. Mit einem neuen alphabetischen Catalogus Universalis aller Bücher und Schriften, welche in der Buchhandlung Johann Christoph Meißners von dem ersten Ursprunge dieser Handlung an bis jetzt angeschafft sind, veranstaltet Meißner 1768 eine Auktion, die aber nicht den gewünschten Erfolg hat. Der Buchhändler stirbt 1771, in dem Jahr, in dem der zweite und letzte Band (Buchstaben H-Ma) des Katalogs erscheint.  Vermutlich hat sich Meißner noch bei Lessing vorgestellt, denn für das Privileg des Hofbuchhändlers hatte er jährlich Bücher für 20 Reichstaler zu liefern. Drei der Söhne setzten den Handel ohne Erfolg fort. Später wurde die Buchhandlung von Heinrich Georg Albrecht übernommen.  Das stattliche Haus am Schlossplatz 2 ist heute nach dem Buchhändler benannt, erinnert aber vor allem an Lessing, der im Oktober 1776 die erste Etage des Hauses mit seiner jungen Familie bezog und hier, wie es zu Recht heißt, das glücklichste Jahr seines Lebens verbrachte. Kurz nach dem Umzug in das heutige Lessinghaus stirbt Eva Lessing am 10. Januar 1778 am Kindbettfieber.  


 


Station 3: **Ludwig Heinrich von Brandenstein**  1718 – 89 Hofbeamter und Stadtkommandant   Auf dem Wolfenbütteler Schlossfriedhof, zwischen Friedrich-Wilhelm-Straße und Grünem Platz, haben ihm seine Kinder ein Denkmal in Form einer Pyramide gesetzt. In der Inschrift heißt es: »Ward geboren in Oettingen d. 31. Okt. 1718, trat in seinem 13. Jahre als Edelknabe in Herzogliche Braunschw. Dienste«. Nach Wolfenbüttel kommt der Sohn des Oettingischen Hofmeisters 1731, als Herzog Ludwig Rudolf (1671 – 1735), ein Sohn Anton Ulrichs, die Regentschaft übernimmt. Dessen Ehefrau Christine Luise, eine geb. Prinzessin zu Oettingen-Oettingen, wird als einflussreiche, vielseitig interessierte, musisch begabte Fürstin beschrieben. Ihre Menschenkenntnis ließ sie Zuverlässigkeit und Treue der Hofbeamten würdigen. So macht Brandenstein bei Herzog Carl I. Karriere, wird Rittmeister, Generalmajor und Stadtkommandant in Wolfenbüttel. Damit trägt er, als die Herzöge ihre Residenz 1753/54 nach Braunschweig verlegen, als Hofbeamter die Verantwortung für die Angelegenheiten der Stadt. Zweimal heiratet Brandenstein eine Tochter aus dem Hause der Freiherrn von Lassperg; von den sechs Kindern der ersten Ehe überleben ihn nur zwei, die zweite Ehe bleibt kinderlos. In den Ausleihbüchern der Bibliothek ist Brandenstein als gelegentlicher Nutzer verzeichnet, der Reiseberichte und Fachliteratur entleiht. Er lebt Ludwig Heinrich von Brandenstein 1718 - 89 · Hofbeamter und Stadtkommandant Schlossplatz 18 mit seiner Familie am Schlossplatz 18, dem großen Eckhaus mit altem Portal aus dem Jahre 1605. Das fest gemauerte Erdgeschoss trägt einen Fachwerkaufbau mit drei hohen Zwerchhäusern von drei Etagen und gibt mit seinen langen Fensterfronten den Blick zum Schloss, zum Zeughaus und, bis zu ihrem Abriss 1884, zur Bibliotheks-Rotunde frei.  Ein gutes Jahr lang, von 1776 – 77 wohnt Lessing mit seiner Familie direkt gegenüber, im Meißnerhaus am Schlossplatz 2. Malchen, Lessings Stieftochter Amalie König, und Christine Charlotte Friederike von Brandenstein, die Tochter des Stadtkommandanten, sind etwa gleichaltrig. Es wird berichtet, dass zwischen den »Herzensfreundinnen« täglich Briefe ausgetauscht worden seien, deren Orthographie Lessing stets aufs Neue erstaunt habe.  In Wolfenbüttel verarmte die Bevölkerung nach dem Umzug des Hofes; auch Hofbeamte wie Brandenstein führten ein Leben ohne Luxus: »einfach und ohne Prunk«. Am 14. April 1789 stirbt Ludwig Heinrich von Brandenstein in Wolfenbüttel.   


 


Station 4: **Carl Johann Anton Cichin**   1723/24 – 1793 Bibliothekssekretär   Neben dem Pedell oder Bibliotheksdiener Johann Christian Helms, mit dem er zumeist im Streit lag, war Cichin als Bibliothekssekretär – auch »Subbibliothekar« oder »Famulus« – der einzige feste Mitarbeiter des Bibliothekars Lessing.   Sein Leben ist nicht zuverlässig dokumentiert, und über seine Herkunft, sein Geburtsjahr und das Jahr seines Dienstantritts als »Secretarius« in Wolfenbüttel gibt es unterschiedliche Angaben, strittig ist auch sein Adelstitel. Es wundert also nicht, dass für die Lebensbeschreibung Cichins die Fama eine wesentliche Rolle spielt. Geboren ist er in München. Der Lessing-Biograph zweiten Sekretärs außer dem »Bibliotheksknecht« [Helms] Lessings einziger Gehilfe«.  Auch nach Darstellung Paul Raabes war Cichin ein »undurchsichtiger Mann, von dem gemunkelt wurde, dass er ein natürlicher Sohn des Kaisers Karl VI. sei, der mit einer Wolfenbütteler Prinzessin verheiratet war, und dass er – ein entlaufener Dominikaner oder Kapuziner – zum protestantischen Glauben übergetreten sei. Seit 1759/60 in Wolfenbüttel tätig, gebildet, intrigant, fleißig, begegnete er Lessing mit Bewunderung und Verachtung zugleich [...], verzeichnete nach seinem Tod die Bücher, die man in der Erich Schmidt spricht von einem »entlaufenen bayrischen Mönch von zweideutiger Herkunft und Haltung, der sich als Konvertit an den gutmütigen Herzog [Carl I.] geheftet hatte, fortan ihn in seiner ewigen tragikomischen Geldklemme mit großsprecherischen Bettelbriefen überschüttete, sogar unverschämt auf eine geheime Adaption pochend, und gleich im ersten Winter Lessings Bürgschaft in Anspruch nahm. Dieser abenteuerliche, störrische Schuldenmacher war leider nach der 1771 erfolgten Verabschiedung eines Wohnung fand, und versah seine Aufzeichnungen mit sarkastischen Bemerkungen«. Nach Stipendiatenjahren am Helmstedter Juleum (1756 – 58) arbeitet C. bereits mehr als ein Jahrzehnt in der Wolfenbütteler Bibliothek, als er am 7. Mai 1770 der feierlichen Amtseinweisung Lessings durch den Geheimen Rat Praun beiwohnt. Das Verhältnis zu seinem Vorgesetzten ist dabei keineswegs frei von Spannungen. Lessing bleibt Tage, Wochen, Monate und von 1775 bis 1776 auch ein ganzes Jahr der Bibliothek fern, was die Eigenmächtigkeiten des im Umgang schwierigen Cichin nur verstärken konnte. Hinzu kommt eine unstrittige Nonchalance Lessings in praktischen Angelegenheiten wie der Rechnungsführung, der Registratur (etwa bei Neuerwerbungen) oder der Ausleihpraxis (nicht zuletzt der eigenen – das Ausfüllen von Leihzetteln war Lessings Sache nicht, und auch Bücher anderer Bibliotheken konnte er jahrelang behalten). Cichins Aufzeichnungen und Dokumente geben wertvolle Auskünfte über die Ärgernisse und Schwierigkeiten des bibliothekarischen Alltags, etwa zu den Fragen der Aufstellung (»Rangierung«) der Bücher, des Umgangs mit Doubletten, der Ausleihpraxis oder zu den Fragen der Öffnungszeiten, Signaturenvergabe, Katalogisierung usw. Lessings Größe hat er freilich gesehen, und in einer Aktennotiz festgehalten: »Pro memoria.. Den 15.ten dieses Monaths hat Fürstl. Bibliothec durch den in Braunschweig erfolgten Tode des Herrn Hofrath Lessing ihren Bibliothecarium, und Teutschland seinen großen und durch seine Schriften berühmten Gelehrten verlohren. Cui Requiem«. Gewohnt hat Carl Johann Anton Cichin unweit der Bibliothek in der Mühlenstraße 3; das Wohnhaus, in dem er im Jahr 1793 verstarb, ist heute durch einen Neubau ersetzt.  


 


Station 5: **Urban Friedrich Benedikt Brückmann**   1728 – 1812   Lessings Arzt in Braunschweig   Am 23. April 1728 wird Urban Friedrich Benedikt Brückmann als ältester Sohn des Wolfenbütteler Arztes und Schriftstellers Franz Ernst Brückmann in Wolfenbüttel geboren; in der Stobenstraße steht noch sein Elternhaus. Nach dem Medizinstudium promoviert er an der Helmstedter Universität. Sein weiterer Lebensweg führt ihn nach Braunschweig,wo er eine glänzende Karriere macht. 27-jährig wird er Professor am Anatomisch-Chirurgischen Collegium und führt den mit der Stelle des herzoglichen Leibmedicus verbundenen Titel eines Hofraths. Als Leibmedicus hat er sehr menschliche Schilderungen über den Gesundheitszustand der Herzogsfamilie hinterlassen. In Braunschweig zählt er zu den Ärzten, die Lessing behandeln und zu den wenigen Freunden, die ihn während seiner letzten Stunden begleiten.  Die beiden Gelehrten verbindet weit mehr als ein ärztliches Verhältnis. Angeregt durch seinen Vater, beschäftigt sich Brückmann mit diversen Wissenschaften, besonders mit der Mineralogie. Seine Abhandlungen über die Edelsteine beeinflussen Lessing so stark, dass er sich in den Briefen antiquarischen Inhalts auf Brückmanns Erkenntnisse beruft, wie auch in einer Notiz über den Edelstein Beryll: »Ein durchsichtiger, blaugrüner oder meer grüner Stein. Die das wenigste Grün bey sich haben, sind oft so schön und feurig, daß wenn Sie recht rein und gut geschliffen sind, man sie verfaßt für Diamante halten sollte. (Brückmann)«   Nach der Beschreibung von Carl Georg Wilhelm Schiller soll sich folgende Anekdote zwischen Urban Friedrich Benedikt Brückmann und Lessing abgespielt haben:  »Es ist oben, bei Lessings Aufenthalt in Rom, von einem Geschenke die Rede gewesen, welches ihm der Fürst Braschi verehrte, einem kostbaren, mit antiken Cameen besetzten Medaillon. Als Lessing einmal über die Braunschweiger Messe geht, kommt ihm Hofmedikus Brückmann mit der triumphierenden Bemerkung entgegen, daß er eben für einen wahren Spottpreis einen kostbaren Schatz erworben habe, wobei er dem Kenner der Antike, Lessing, eine Sammlung von Cameen vorlegt. Sogleich erkennt dieser sein Eigenthum, und nach kurzer Nachforschung erweist sich Lessings eigener Bedienter als der Dieb dieser Kostbarkeiten. Brückmann ist sogleich erbötig, die Steine zurückzugeben; aber Lessing bittet, nicht weiter von dieser Sache zu reden. “Behalten Sie die Steine”, sagte er, “ich habe ja dieselben nur geschenkt erhalten, aber Sie haben sie gekauft”.«  Urban Friedrich Bendikt Brückmann, Lessings Arzt und Freund, überlebt ihn um 31 Jahre und stirbt am 20. Juni 1812 im hohen Alter von 84 Jahren in Braunschweig.  


 


Station 6: **Johann Friedrich Julius Topp**  1735 – 84 Arzt  Der am 29. Juli 1735 geborene Sohn des damaligen Sekretärs am Oberappellationsgericht Johann Konrad Siegmund Topp (1692 – 1757) wächst in Celle auf. Nach der Berufung des Vaters als Professor der Jurisprudenz nach Helmstedt (1748) studiert Topp an der dortigen Landesuniversität Medizin, promoviert 1758 und besteht 1759 das Examen am Collegium Medicum in Braunschweig, das ihn zur Ausübung des Arztberufes berechtigt. Danach ist er als Garnisonsarzt tätig. 1761 wird er außerdem als Professor der Physiologie und Pathologie an das Anatomisch-Chirurgische Institut in Braunschweig berufen. Wegen seiner Belastung als Militärarzt kann er die akademische Tätigkeit wenig wahrnehmen.  1772 kommt Topp als Stadt- und Landphysikus, zugleich auch als Garnisonsarzt nach Wolfenbüttel, wo er an der Breiten Herzogstraße 22 mit seiner großen Familie wohnt. Topps erste Frau Christiane geb. Kahle stirbt 1773. Ein halbes Jahr später heiratet er Ernestine Charlotte Eleonore Schmidt aus Hannover in zweiter Ehe. Aus den beiden Verbindungen hat Topp drei Töchter und acht Söhne, von denen nur vier den Vater, der am 30. März 1784 im Alter von 49 Jahren stirbt, überleben. Dr. Topp, klein und verwachsen, war ein kluger, witziger und oft wohl auch sarkastischer Mann. Lessing schätzt ihn sehr und ist mit ihm befreundet. In der kurzen Ehezeit des Wolfenbütteler Bibliothekars verkehren die beiden Familien miteinander. Eva Lessing steht am 20. Oktober 1777 bei einem der Kinder Topps Pate. In den Wochen von Evas tödlicher Krankheit ist es Topp, der das sterbende Kind, Traugott genannt, am 27. Dez. 1777 über die Taufe hält.   Wir wissen wenig über die Freundschaft der beiden so unterschiedlichen Männer. Es ist überliefert, dass sie oft miteinander, wohl in Lessings Wohnung, eine Partie Schach spielten. Topp hat sich im Schreiben von Lustspielen versucht. In den Gelehrten Beyträgen zu den Braunschweigischen Anzeigen erschienen einige medizinische Abhandlungen von ihm. Der plötzliche Tod Lessings hat ihn so bewegt, dass er einen poetischen Nachruf drucken ließ, der lautet:   *Frey und erlöset ist Lessing von den Banden der Erde – / Sein scharfes Auge sah hienieden schon, nie gesehene Dinge – / Flügel hatte sein Geist. / Der zum Leben Ihn leitende Engel erhielt auch keine der Fragen, / die sonst Herüberreisende führen. / Ergebung in Allem und stilles Warten des Weisen – war dem Führer Erstaunen! / So war auch, Du ewig Beglückter! Dein Wandel hienieden. / Dein Herz war Liebe – nach Wahrheit und That der Hellglanz / Des denkenden Kopfes.*  *Wolfenbüttel, T*  *Den 20sten Februar, 1781.*


 


Station 7: **Johann von Döring**  1741 – 1818  Drost zu Wolfenbüttel und Kammerherr Der Drost zu Wolfenbüttel, ein Kammerherr und Verwaltungsbeamter – Drost bedeutet Vogteiverwalter –, gehört zu Lessings besten Wolfenbütteler Freunden. In seinem Haus an der Ecke Kreuzstraße/ Okerstraße geht Lessing ein und aus, für Dörings Frau bestellt er gelegentlich Blumen bei seinem Bruder Karl Gotthelf in Berlin. In späteren Lebensjahren pflegt Lessing am Nachmittag um den Schlosswall zu spazieren, gewöhnlich in Begleitung dieses Freundes.  Bekannt geworden sind sie schon 1770 über einen weiteren Freund Lessings, den Berliner Verleger Friedrich Nicolai, denn auch Döring betätigt sich literarisch. Er hat gute Beziehungen zu Leopold Friedrich Günther von Goeckingh, der zusammen mit Johann Heinrich Voß den in Hamburg erscheinenden Musenalmanach Poetische Blumenlese herausgibt; dort veröffentlicht er selbst kleine Beiträge und kann Lessing überreden, für die Ausgabe von 1780 immerhin elf Lieder und Gedichte aus früheren Jahren beizusteuern.  Döring ist kein großer Dichter; doch das hält Lessing nicht davon ab, ihn an seinen literarischen Plänen teilhaben zu lassen. So weiß man aus Briefen Dörings an Goeckingh um die Entstehungsgeschichte des Nathan, auch um Lessings weitere Planungen: »Lessing schreibt zwei dramatische Stücke: den Tod des Nero und den Samariter nach der Erfindung Jesu« (18. Nov. 1779).  Solche Mitteilungen Dörings sind für die Forschung von unschätzbarem Wert, so bescheiden sein literarisches Talent auch gewesen sein mag. Eifrig wirbt er um Subskribenten für den Nathan.  Nach Döring selbst hat Lessing ihm dieses Epigramm gewidmet:  »Am Körper klein, am Geiste noch viel kleiner; /  Schämst du des Salzes dich, drum schämt das Salz sich deiner.«  Dazu heißt es in einem Kommentar aus dem Jahr 1811:  »In Wolfenbüttel lebte zu Lessings Zeiten ein Herr von D., welcher zu den Lüneburgischen Patriciern, zu den sogenannten dortigen Salzjunkern gehörte, aber gern ein Edelmann seyn wollte, klein von Person war, Verse machte, und Lessingen mit deren Vorlesung und geforderter Beurteilung häufig behelligte.«  Das ist sicher nicht die ganze Wahrheit; schließlich hat Lessing den Freund mit der Verwaltung seines Nachlasses beauftragt – ein großer Vertrauensbeweis. Das Epigramm, wenn es denn echt ist, zeugt eher von der scherzhaften Ruppigkeit, mit der Lessing gerade vertraute Freunde bedachte. (Salz bedeutet auch: feiner, aber scharfer Witz.)  Am 8. Februar 1781 schreibt Döring an Goeckingh:  [...] »ich fürchte! ich fürchte! Sie glauben nicht, wie elend der brave Mann die letzte Zeit war. Noch den Tag, als er nach Braunschweig ging, war er bei mir, er konnte kaum fortschleichen und das Athemholen war ihm äußerst beschwerlich. Sie glauben nicht, wie edel der Mann denkt. Er ist mir über Alles werth. Gott stehe ihm bei.«  Nach Lessings Tod kümmert sich Döring unmittelbar um dessen persönliche Dinge. Die Stieftochter Malchen findet Aufnahme bei der Familie Döring, zu der drei Kinder gehören. Vor allem aber verwahrt er Lessings hinterlassene Manuskripte solange, bis der Bruder Karl Gotthelf sich ihrer annehmen kann.  Döring schreibt an Goeckingh:  »Kommen Sie ja diesen Sommer, dann wollen wir von Lessing sprechen und ich will Ihnen den ganzen Vorrath seiner hinterlassenen Handschriften erzählen.«  1781 verlässt der Drost Wolfenbüttel, um nach Altona zu gehen; von 1790 – 1803 ist er Amtmann in Sonderburg, später dänischer Geheimer Konferenzrat in Kiel.  


 


Station 8: **Karl Wilhelm Jerusalem**  1747 – 72 Jurist und Philosoph  Als Sohn des protestantischen Abts Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem in Braunschweig-Riddagshausen wird Jerusalem am 21. März 1747 in Wolfenbüttel geboren. 1760 – 65 besucht er das nach einer Anregung seines Vaters gegründete Collegium Carolinum, danach die Universität Leipzig, wo er Rechts- und Staatswissenschaft, daneben auch Philosophie und Poesie studiert. Dort wird er mit Goethe bekannt. Nach vier Semestern geht Jerusalem nach Göttingen und beendet sein Studium im Sommer 1769. Im Jahr darauf wird er als Assessor an die Justizkanzlei in Wolfenbüttel versetzt, wo er Lessing kennenlernt.  Über ein gutes Jahr entwickelt sich eine Freundschaft, der Lessing in seiner Vorrede zu den Philosophischen Aufsätzen Jerusalems ein bleibendes Denkmal gesetzt hat:  »Der junge Mann, als er hier in Wolfenbüttel sein bürgerliches Leben antrat, schenkte mir seine Freundschaft. Ich genoß sie nicht viel über Jahr und Tag; aber gleichwohl wüßte ich nicht, daß ich einen Menschen in Jahr und Tag lieber gewonnen hätte, als ihn. [...] Es war die Neigung zu deutlicher Erkenntniß; das Talent, die Wahrheit bis in ihre letzten Schlupfwinkel zu verfolgen. Es war der Geist der kalten Betrachtung. Aber ein warmer Geist, und so viel schätzbarer; der sich nicht abschrecken ließ, wenn ihm die Wahrheit auf seinen Verfolgungen öfters entwischte.«  Sein weiterer Lebensweg führt den jungen Juristen im September 1771 an das Reichskammergericht in Wetzlar. Schon kurze Zeit nach Amtsbeginn fühlt er sich vereinsamt; ihm fehlen Freunde, die ihm Orientierung geben können, dazu kommen Schwierigkeiten mit seinem Vorgesetzten, dem Braunschweigischen Gesandten am Reichskammergericht, unter dessen pedantischem, auch unaufrichtigen Verhalten Jerusalem leidet. Zum zweiten Mal trifft er mit Goethe zusammen, ohne dass eine Freundschaft daraus entstanden wäre. Gesellschaftliche Demütigungen und die unglückliche Liebe zu einer verheirateten Frau führen zu weiterer Verbitterung und Resignation. Jerusalem sieht keinem Sinn mehr in seinem Leben; seine philosophischen Studien bestärken ihn in der Überzeugung, dass ein Leben ohne Ziele nicht erhaltenswert sei.  In der Nacht vom 29. zum 30. Oktober 1772 erschießt sich Karl Wilhelm Jerusalem in seiner Wohnung mit einer von Johann Christian Kestner entliehenen Pistole.  Lessing ist tief bewegt über diesen Tod seines jungen Freundes, der – nach damals geläufiger Auffassung – Schande über das Haus des Abtes brachte. Umso schmerzlicher berührt ihn die Lektüre von Goethes Werther; im Brief an Eschenburg vom 26. Okt. 1774 beklagt er, wie Goethe die Geschichte Jerusalems missbraucht habe, um in Werther einen grundverschiedenen, von »Schwärmerey« bestimmten Charakter darzustellen. Gewissermaßen zur Ehrenrettung Jerusalems entschließt sich Lessing, dessen Philosophische Aufsätze herauszugeben.  Die Zeitgenossen haben Lessings Motive wohl verstanden; Elise Reimarus schreibt in einem Brief: »Er gesteht, daß er größtentheils Goethe zum Trotze sich verbunden erachtet, Jerusalems echte Geistesgestalt der Welt in seinen philosophischen Abhandlungen vorzulegen.«  


 


Station 9: **Georg Septimus Andreas von Praun**  1701 – 86 Hofbeamter und Minister  Praun hat als Vizekanzler am 7. Mai 1770 Lessing feierlich in sein Amt als Hofbibliothekar eingeführt. Wer war dieser Jurist und Gelehrte, fast 30 Jahre älter als Lessing?  Praun wird am 4. August 1701 in Wien als Sohn eines Diplomaten am Kaiserhof geboren, erhält Privatunterricht und bezieht 1719 die Universität Altdorf (Nürnberg). Seine weiteren Stationen sind Straßburg, Paris, Oettingen und Blankenburg. 1731 kommt er mit Herzog Ludwig Rudolph bei dessen Regierungsantritt nach Wolfenbüttel, wird 1736 zum Justizrat und 1749 von Carl I. zum Vizekanzler berufen. Als der Fürstenhof 1753/54 nach Braunschweig zieht, bleibt Praun in Wolfenbüttel, wird Präsident der Justizkanzlei, des Konsistoriums, des fürstlichen Archivs und führt von 1751 bis 1770 die Oberaufsicht über die Herzogliche Bibliothek. Während des Siebenjährigen Krieges lebt er von 1761 – 64 als Geisel bei den Franzosen, kann aber dank »milder Geiselhaft« in der Festung Metz wissenschaftlich arbeiten. Eine Sprachbarriere kennt er nicht, denn an den deutschen Fürstenhöfen war die Konversation zweisprachig. 1773 wird er Erster Minister in Braunschweig. Dort stirbt Praun am 30. April 1786.  Ein pflichtbewusster, von Ordnungsliebe besessener, systematisch denkender, unbestechlicher Berater seines Herzogs, sind Prauns Interessen früh durch den Historiker Johann Daniel Köhler und dessen fundierte Geschichtsschreibung geprägt. Die Aufarbeitung und profunde Kenntnis der Braunschweigischen Landesgeschichte wird neben seiner Tätigkeit als Jurist am Hof zu seinem Lebenswerk. Er schafft eine Neuordnung der Verwaltung des Herzoglichen Archivs mit strenger Trennung von Urkunden und Akten. Er besitzt eine umfangreiche Bibliothek und entleiht zusätzlich aus der fürstlichen Bibliothek fast 600 Werke, davon mehr als die Hälfte in lateinischer und französischer Sprache. Außer juristischen, historischen und literarischen Publikationen verfasst Praun ein Standardwerk über Forschungen in der Wappen-, Münz- und Siegelkunde mit deren Deutung seit dem 12. Jahrhundert (1739). Seine Frau Friederike Louise geb. v. Brandenstein stirbt 1745 und hinterlässt elf unmündige Kinder. Ein Jahr danach heiratet Praun eine Schwester der Verstorbenen. Die Familie wohnt ab 1754 im Kanzlerhaus (heute Abteilung des Braunschweigischen Landesmuseums in Wolfenbüttel, Kanzleistraße 3). Neben seinen juristischen Amtsgeschäften reguliert Praun das Helmstedter Stadtwesen und erfüllt diplomatische Aufgaben für die Niederlande sowie in Weimar für die mit 19 Jahren schon zur Witwe gewordene Herzogin Anna Amalia. Als Minister in Braunschweig muss er mit äußersten Sparmaßnahmen den drohenden Staatsbankrott abwenden. Hin und wieder ist Praun in Konflikte zwischen Herzog Carl I., dem Erbprinzen Carl Wilhelm Ferdinand und Lessing involviert, so als Lessing 1778 die Zensurfreiheit entzogen wird.  »Ich hatte kein anderes Bestreben«, heißt es in einer Selbstdarstellung aus dem Jahr 1784, »als meine Pflichten gegen meinen Herrn und gegen mir gleiche oder geringere Menschen zu erfüllen, und frey, ohne Furcht und Cabale, meine Meynung sagen zu dürfen. Ich war zufrieden, daß mir nichts fehlte als das Überflüssige, kein Ordensband oder ein Beytritt zu einer Gesellschaft. Stets bin ich aufmerksam gewesen, meine Zeit nicht zu verlieren und ohne Eifersucht und Neid zu seyn«.  


 


Station 10: **Johann Heinrich Reß**  1732 – 1803 Superintendent  Sein Haus befindet sich in der Reichsstraße 4 am Wolfenbütteler Kornmarkt, gegenüber der Hauptkirche, in der er viele Jahre tätig war. Geboren wird Reß am 28. März 1732 in Helmstedt als Sohn des 1750 verstorbenen Rektors der Stadtschule. Nach dem Studium der Theologie in Helmstedt arbeitet er seit 1759 als Pastor und Inspektor des Waisenhauses Beatae Mariae Virginis in Braunschweig, seit 1765 als Superintendent in Thiede und seit 1773 zudem als evangelischer Pfarrer an der Hauptkirche BMV in Wolfenbüttel. Für philanthropische Auffassungen durchaus empfänglich,wird Reß dort zugleich Inspektor des Schullehrerseminars. Weil die Schüler nicht nur Lebensweisheit und theoretische Kenntnisse, sondern auch Wirklichkeitssinn und praxisnahe Fertigkeiten erwerben sollen, gilt sein besonderes Bemühen der praktischen Ausbildung der Landschullehrer. Für die Schulen verlangt er gesunde Räume und freie Höfe; in seinen zahlreichen Veröffentlichungen widmet er sich nicht nur theologischen Fragen, sondern auch solchen der Landwirtschaft sowie regionalgeschichtlichen Themen.  Überregionale Bekanntheit erlangt er freilich durch seine Beteiligung am Fragmentenstreit. 1777 hatte Reß anonym die Gespräche Die Auferstehungsgeschichte Jesu Christi im Braunschweiger Verlag der Fürstlichen Waisenhausbuchhandlung veröffentlicht: gut gemeinte, argumentativ aber recht schlichte Dialoge, auf die Lessing, schwer durch den Tod von Frau und Kind getroffen, und wohl wissend,wer der Verfasser ist (»lieber Nachbar«), in ungewöhnlich scharfer Form reagiert – in der berühmten Duplik sowie im ersten und elften Anti-Goeze. Dass Reß dann auch von der Kanzel gegen Lessing predigt, ist sicher mehr als Gerücht.  Die Auseinandersetzung geht um wirkliche oder vermeintliche Widersprüche zwischen den einzelnen Evangelien; dabei versucht Reß' Schrift von 1777 vor allem die Einwände gegen die biblische Darstellung der Auferstehung Jesu zu entkräften. 1779 veröffentlicht Reß, nun unter Nennung seines Namens, Die Auferstehungsgeschichte Jesu Christi ohne Widersprüche. Gegen eine Duplik. (Braunschweig: Verlag der Fürstlichen Waisenhausbuchhandlung), auf die Lessing nicht mehr antwortet.  Der 1793 zum Pastor primarius aufgerückte Johann Heinrich Reß, Vater eines Sohnes und zweier Töchter, stirbt, »allgemein geachtet«, am 11. Januar 1803 in Wolfenbüttel.  


 


Station 11: **Franz Anton Knittel**  1721 – 92 Hauptprediger und Superintendent an der Marienkirche  Knittel wird am 3. April 1721 als Sohn eines Salzdahlumer Hofgärtners geboren. Der begabte Junge erhält frühe Förderung, besucht Schulen in Braunschweig und Schöningen, studiert in Helmstedt und besonders in Halle,wo der auch von Lessing geschätzte Siegmund Jacob Baumgarten, Vertreter einer ›Vernunftorthodoxie‹ im Sinne Christian Wolffs, sein lebenslang verehrter Lehrer wird. Nach seinem theologischen Examen (1746) ist er von 1751 – 55 Pfarrer in Schliestedt und Warle. 1752 heiratet er Henriette Elisabeth Bütemeister, mit der er zehn Kinder hat. 1755 – 66 Archidiaconus an der Hauptkirche BMV in Wolfenbüttel, avanciert er 1766 zum Konsistorialrat und Wolfenbütteler Generalsuperintendenten. Von 1776 an bekleidet er das höchste geistliche Amt im Herzogtum.  Was Franz Anton Knittel zunächst mit Lessing verbindet, ist die besondere Liebe zur Herzoglichen Bibliothek. Nicht zuletzt, um in der Bibliothek arbeiten zu können, hatte Knittel die ehrenvolle Berufung auf eine theologische Professur an der Universität Helmstedt ausgeschlagen. Lessing respektiert die hohe Gelehrsamkeit des Theologen wie auch Knittel seine Verehrung für den »hochgelehrten« Bibliothekar bekundet. Ein Konflikt des als herzoglicher Zensor tätigen Knittel mit Lessing anläßlich der Veröffentlichung des Berengarius Turonensis lässt sich freundschaftlich beilegen, zumal Lessing danach durch herzogliches Privileg von der Zensur befreit wird.  Überliefert ist ein angeregter Verkehr zwischen beiden Gelehrten und Literaten, sei's auf gemeinsamen Spaziergängen, sei's im Pfarrhaus neben der Hauptkirche. Wie sich die Herausgabe der bibelkritischen Fragmente auf das beiderseitige Verhältnis auswirkt, ist schwer zu beurteilen. Obwohl Knittel wahrscheinlich nicht viel anders denkt als Goeze, hat er sich im Unterschied zu seinem Kollegen Johann Heinrich Reß nicht öffentlich an dem Streit beteiligt; nach einem posthumen Zeugnis des Theologen Friedrich Münter schien die menschliche Beziehung zwischen Knittel und Lessing durch den Streit nicht beeinträchtigt.   Knittels wissenschaftliche Interessen sind weit gespannt; er publiziert nicht nur auf theologischem Gebiet, sondern arbeitet auf den Feldern der Altphilologie, der Geschichte, der Germanistik und widmet sich mit besonderem Eifer speziellen mathematischen Interessen. Gewissen Ruhm – als »Ulfilas-Knittel« – erlangt der Pastor durch die Entdeckung eines Fragmentes der gotischen Bibelübersetzung des Ulfilas in der Bibliothek (1758); das von einer Handschrift des Isidor aus dem sechsten Jahrhundert überdeckte Palimpsest wird von dem des Gotischen Unkundigen mühselig entziffert. Bei Gelegenheit betätigt sich der sprachlich versierte Knittel auch als geistreicher Hobby-Poet.  Knittel stirbt am 13. Dezember 1792 an ›Brustwassersucht‹. Seine Frau überlebt ihn um ein Jahr. Franz Anton Knittel, als Theologe, Prediger, Seelsorger und Schulmann ein hingebungsvoller und tüchtiger Diener seiner Kirche, ist dem herzoglichen Haus, besonders der Herzogin Philippine Charlotte, in Verehrung und Zuneigung verbunden. Über seine insgesamt konservative Haltung ist der ›fortschrittliche‹ Geist der Zeit zuletzt hinweg gegangen, so dass der gesellige und humorvolle Mann wohl, wenngleich hoch geehrt, etwas vereinsamt und resigniert gestorben ist.  


 


Station 12: **Christian Heinrich Gahre**  Lebensdaten unbekannt, Fuhrmann  Der Aberglaube an den leibhaftigen Teufel war auch in Wolfenbüttel im 18. Jahrhundert noch weit verbreitet. So glaubten manche, dass Lessing, der sich mit den orthodoxen Theologen in seinen religiösen Streitschriften auseinandergesetzt hatte, vom Teufel geholt worden sei.  Die Kinder sangen bei ihren Spielen auf der Straße:  »De Düwel kam eenmal up Eren Und wull he gern een Blacksmied weern,  Doch harr he weder Tinn noch Messing,  Drum namm he den Professor Lessing.«  So dachte auch der Fuhrmann Christian Heinrich Gahre, der in dem langgestreckten, niedrigen Haus in der Krummen Straße 60 wohnte und der hin und wieder Lessing mit seiner Kutsche nach Braunschweig fuhr. Oft soll er später im Kreise von Freunden und Fremden die unglaubliche Geschichte erzählt haben, wie einmal der Teufel Lessing einen bösen Streich gespielt habe. Zuvor habe er sich aber regelmäßig über des Hofrats Gelehrtheit und die große Zahl der von ihm geschriebenen Bücher verbreitet:  Tauletzt war hei sau klauk, dat he gar ne nie Bibel eschrebben hatte, da hatten aber de Dübel einen Strich dorchemakt. Et war en paar Jahr vor sinen Dode, da leit de Herr Hofrat minen Vater bestellen, dat hei an nächsten Morgen na Bronswick fahren wolle. Als ick daur bestimmten Stunne vor siner Husdöhr heilt, kam de Herr Hofrat mit einem groten Bauke unter dem Arme herut. »Christian«, segte hei fründlich, »wenn wir nach Braunschweig kommen, dann fährt er direkt nach dem Grauenhofe, ich will zum Herzog«. Damit steg hei in de Kutsche un legt dat Bauk vor sick up den Sitz. Dat war de nie Bibeln, die hei schreben hatte un den Hertoge vorlegen wolle. Die Fahrt ging nu nach Bronswick. De Wagen war ne Halfchaise, so dat wie uns mitenander underholen kunnten. As wie up den Bohlweg annen komen waren, da nam hei den Bibeln von dem Sitze, schlaup se up, bläderte hin un her, un kunne seine eigene Handschrift nich mehr lesen, denn de Dübel harre underdessen lauten Uhlen un Kreihen darut gemacht. Hei war vor Schreck liekenblas worren, schlauk dat Bauk häftig tau un segte: »Heinrich,wende er um, wir fahren sofort nach Wolfenbüttel zurück«. Underwegens sprok hei kein Wort mehr, un so keimen wi vor Mittag wedder tau Huse an.«   Vermutlich waren die Blätter der Handschrift durch den Wind durcheinander geraten und auch wohl umgeknickt, was der abergläubige Kutscher für ein Werk von Eulen und Krähen (Uhlen und Kreihen) im Dienste des Teufels gehalten hatte.  


 


Station 13: **Jakob Friedrich Heusinger**  1719 – 78 Pädagoge und Philologe  Der Pädagoge Jakob Friedrich Heusinger wird am 11. April 1719 in Useborn in der Wetterau als Sohn eines Pastors, der drei Jahre später starb, geboren. Er wächst im Hause seines Onkels, des bekannten Philologen Johann Michael Heusinger (1690 – 1751) auf, dessen Studien zu antiken Autoren seinen Lebensweg prägen. Er studiert Theologie und Philologie in Jena, erwirbt 1744 die Magisterwürde und wirkt einige Jahre als Privatdozent in Jena. Heusinger wird 1750 als Konrektor der Großen Schule nach Wolfenbüttel berufen. Er heiratet 1751 Clara Dorothea Comtor, Tochter eines Apothekers, die nach wenigen Jahren stirbt. Im Herbst 1756 geht er eine zweite Ehe mit Maria Elisabeth Henriette Schürmann ein, Tochter des Hofkapellmeister Georg Caspar Schürmann.  1759 wird Heusinger Nachfolger des verdienten Rektors Johann Christoph Dommerich, der 1757 als Professor nach Helmstedt berufen worden war. Als Schulleiter ist er einer der sechs Lehrer der Schule, die sich damals in der Kommisse befindet. Er unterrichtet die Primaner in griechischer und lateinischer Dichtkunst, Theologie, Philosophie, auch in Arithmetik und Geschichte. Anlässlich der Examina war es üblich, dass der Rektor eine öffentliche Rede hielt. So hat sich auch Heusinger zwischen 1759 und 1773 in zwanzig Reden mit pädagogischen Themen befaßt. Er spricht z.B. über die Vorteile, »welche ein in der öffentlichen Schule unterrichteter Schüler vor anderen, die zu Hause unterwiesen werden, hat« oder darüber, »Wie ein Schüler, besonders der obersten Klassen, seine Zeit, außer der Schule, nützlich anwenden sollte« oder »Von den Vorteilen, welcher ein Staat von wohleingerichteten Schulen hat«.  Neben dem Unterricht beschäftigt sich Heusinger mit der Herausgabe und Kommentierung von Texten antiker Autoren. Er ist ein sehr fleißiger und dankbarer Benutzer der Fürstlichen Bibliothek, der über Jahre vor allem die mittelalterlichen Gudischen Handschriften studiert. So entleiht er für sein Hauptwerk, die Edition einer Neuausgabe von Ciceros Schrift De officiis, das auf Vorarbeiten seines Onkels zurückgreifen kann, zahlreiche Manuskripte und Drucke. Sein Werk erscheint erst nach seinem Tode 1783. Lessing lernt den kundigen Philologen bald kennen und schätzt seine immense Gelehrsamkeit. Er gewinnt ihn zur Mitarbeit an seiner Bibliothekszeitschrift Zur Geschichte und Litteratur. Aus den Schätzen der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel und bekennt, dass er »zu dessen längst bekannten Einsichten in dem ganzen Felde der alten Litteratur und Kritik« öfters seine »Zuflucht« nahm.  Jakob Friedrich Heusinger stirbt am 26. September 1778 im Alter von 59 Jahren. In einem Nachruf von Friedrich Karl Hirsching heißt es, dass er ein geschickter und thätiger Schulmann war, der eine vorzügliche Stärke besonders in der griechischen Literatur und eine gesunde Auslegungskunst besaß.  


 


Station 14: Christian Leiste1738 – 1817 Pädagoge und RektorAuch der Konrektor und spätere Rektor Christian Leiste gehört, wie Franz Anton Knittel und Jakob Friedrich Heusinger, zu Lessings Wolfenbütteler Gelehrtenkreis. Er wird am 17. August 1738 in Lotsche, einem Dorf bei Magdeburg, geboren, besucht von 1751 – 57 das Gymnasium des Klosters Unsere lieben Frauen in Magdeburg und studiert anschließend Theologie, Philosophie, Philologie und vor allem Mathematik an der Universität Halle. Daneben unterrichtet er an der Latina in den Franckeschen Stiftungen und wird 1761 ordentlicher Lehrer an deren Pädagogium. Zu seinen Schülern gehören die späteren Dichter Gottfried August Bürger und Leopold Friedrich Günter Göckingk. Auf der Suche nach einem Nachfolger für Heinrich Basilius Hoffmann (1726 – 61), den früh verstorbenen Konrektor der Großen Schule in Wolfenbüttel, hatte sich der Konsistorialrat Franz Anton Knittel als Ephorus (Aufseher) der Schule 1765 an die Direktion der Franckeschen Stiftungen gewandt, die Leiste nicht zuletzt »wegen der Redlichkeit seines Herzens, wegen seines ordentlichen Wandels und Fleißes in seiner Arbeit, nicht weniger wegen seiner Bescheidenheit im Umgange« empfahl. So wird Leiste im Frühjahr 1766 nach Wolfenbüttel berufen und erteilt mit großem Erfolg mathematischen und naturkundlichen Unterricht.Leiste veröffentlicht einige Arbeiten aus diesem Fachgebiet, so über den Bau eines Quadranten und über eine Neue Einrichtung der Luft-Pumpe (1772). Zu Leistes Pensum gehört neben der reinen Mathematik Geometrie, Trigonometrie, Astronomie, später auch Naturgeschichte, Theologie (nach dem Lehrbuch seines Lehrers Baumgarten), schließlich Geschichte und Geographie. Nach Jakob Friedrich Heusingers Tod 1778 wird er dessen Nachfolger; wegen seiner Tüchtigkeit ernennt ihn der Herzog 1786 zum Professor. Leiste ist, wie Heusinger, ein eifriger Benutzer und Leser der Fürstlichen Bibliothek. Lessing lobt ihn 1773 in seiner Zeitschrift Zur Geschichte und Litteratur als »würdigen Schulmann«. Nach der Veröffentlichung seiner Beschreibung des Brittischen Amerika (1778), für die Leiste die Bestände der Bibliothek nutzt, kommt es schließlich zu einer Zusammenarbeit der beiden Gelehrten. Lessing hatte unter den Augusteischen Handschriften einen spanischen Text mit der Beschreibung Brasiliens eines gewissen Pedro Cudena entdeckt. Er zog Leiste als Kenner heran, der die Übersetzung verbesserte und Anmerkungen beifügte. Die Veröffentlichung dieser Arbeit hat Lessing nicht mehr erlebt. Sie erscheint, von Leiste herausgegeben, posthum 1781 im sechsten Band von Lessings Zeitschrift Zur Geschichte und Litteratur und auch als Buch. Christian Leiste verrichtet seinen Schuldienst 49 Jahre bis zu seinem Tod am 21. Februar 1817. Außer einem Lehrbuch der Arithmetik und Algebra (1790) und Rezensionen hat er nichts mehr veröffentlicht. Sein Sohn Anton Friedrich, seit 1794 bereits an der Großen Schule tätig, wird sein Nachfolger. Wilhelm Raabe, der in die Familie Leiste einheiratete, äußert sich 1892 sehr ungünstig über Leiste: »Ein frommer Mann, der zwar viel mit Lessing in Wolfenbüttel zusammenarbeitete, aber den Herrn Hofrathund Bibliothekar für einen Verlorenen, was sein Seelenheil anbetraf, hielt und seine Herren Primaner nicht dringend genug vor ihm, seinem Leben, Wesen, Denken undTreiben warnen konnte«.


 

Autor:in

Jessica Lau

Organisation

Nördliches Harzvorland Tourismusverband e.V.

In der Nähe

Tourdaten
Start: Lessingplatz 1
Ziel: Kommissstraße 5

00:40:00 h

2,76 km

2 m

2 m

77 m

79 m

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