Neues Wasserrad: Die Wassermühle Wahrenholz klappert nicht mehr

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Redaktioneller Artikel
Beate Ziehres
30. August 2020

Die Sonne scheint, meine Haare fliegen im Wind und ich bin wieder einmal unterwegs in Sachen Mühlen. Mein Ziel heute ist eine Wassermühle am nördlichen Rand der zeitORTE-Region: die Wassermühle Wahrenholz in der Südheide Gifhorn.
© Beate Ziehres für zeitORTE.de

Das muss besonders erwähnt werden. Schließlich hat man im 18. Jahrhundert Pläne geschmiedet für eine Wahrenholzer Holzsäge-Windmühle. Die Holzsäge-Windmühle wurde aber nie gebaut und die Windmühle Wahrenholz vor knapp 70 Jahren abgerissen. So ist die aus dem 15. Jahrhundert stammende Wassermühle Wahrenholz die älteste und letzte existierende Mühle des Ortes. Und: Sie ist voll funktionsfähig.

Auf dem Besuchersteg zwischen dem imposanten Mühlengebäude und der Straße finde ich Werner Potratz und Andres Jansen. Ihr Blick ruht auf dem Mühlenrad, das sich – angetrieben von der rauschenden Ise – geräuschlos dreht. Das Wasserrad war für Jahrzehnte das Sorgenkind der Mühlenfreunde Wahrenholz.

Altes Mühlenrad hat das Wasser der Ise nicht vertragen

Werner Potratz, Geschäftsführer des 1997 gegründeten Vereins, berichtet von einem folgenschweren Fehler, der immer wieder Ärger und Kosten verursachte. Er spricht vom Wasserrad aus Eichenholz, das vor 25 Jahren eingebaut worden war. „Die Ise führt Moorwasser und das ist in Kombination mit Luft überhaupt nicht gut für das Eichenholz. Denn das Holz ist nicht ständig unter Wasser, sondern taucht im ständigen Wechsel ein und wieder auf“, erklärt Werner Potratz. Deshalb haben sich immer wieder Schaufeln gelöst, die ersetzt werden mussten.

2007 versuchten es die Mühlenfreunde mit einem Dach. Es sollte das feuchte Holz vor Austrocknung durch die Sonne schützen. Doch der Verfall konnte mit der Überdachung nicht aufgehalten werden, weitere kostenintensive Reparaturen wurden fällig. In 2018 stellte der Verein deshalb Förderanträge für ein neues Wasserrad.

EU förderte auch größeren Besuchersteg

Heute blicken Potratz und Jansen mit etwas Stolz auf ihr sogenanntes Zuppinger Wasserrad. Es wurde 2019 installiert. Außerdem erhielt die Wassermühle in diesem Zuge einen größeren Besuchersteg und einen Spritzschutz. „Insgesamt wurden hier im vergangenen Jahr 172.500 Euro verbaut“, sagt Werner Potratz. Aus Leader- beziehungsweise EU-Mitteln wurde das Vorhaben mit 125.000 Euro bezuschusst. 40.000 Euro steuerten die Mühlenfreunde aus Eigenmitteln bei, 7.500 Euro kamen von der Sparkassenstiftung.

Das Gestell des Zuppinger Mühlrads – also das Rad, das die Schaufeln trägt – ist aus Metall. Die Schaufeln selbst bestehen aus Lärchenholz. Ich bin beeindruckt, wie gleichmäßig und ruhig das Rad läuft. Hier klappert nichts, nur die Ise rauscht unter den Bäumen talwärts. „Wir erhoffen uns, dass das neue Mühlenrad 70 bis 80 Jahre hält“, sagt Werner Potratz.

Der Einbau des Mühlenrads war mit einigem Aufwand verbunden. Der Triebkanal, in dem sich das Mühlrad dreht, musste mit Sandsäcken stillgelegt werden. Das schafften die Mühlenfreunde nicht alleine, das Technische Hilfswerk Gifhorn und Wolfsburg unterstützte die Wahrenholzer bei diesem Vorhaben.

Mühlengebäude überrascht mit spannendem Innenleben

Der neue, größere Besuchersteg aus Metall ersetzt den alten Holzsteg. Er ragt über die Ise und bietet ganzen Schulklassen Platz. Denn die Wassermühle Wahrenholz ist ein beliebtes Ausflugsziel. Offensichtlich ist das Mühlenrad nicht die einzige Attraktion. Und tatsächlich: Auch im Mühlengebäude selbst gibt es allerhand zu sehen.

Das beginnt mit der eindrucksvollen Technik, bestehend aus Zahnrädern, Wellen und Riemen. Hier werden die rund 15 Umdrehungen, die das Mühlenrad pro Minute absolviert, übersetzt auf 120 Umdrehungen pro Minute. Andres Jansen, der hier drinnen das Sagen hat, ermahnt mich zur Vorsicht. Wer zu vorwitzig die Nase ins laufende Getriebe steckt, läuft Gefahr, aus Versehen skalpiert zu werden! Au weia, das will ich natürlich nicht riskieren!

Stattdessen lädt mich Andres Jansen zu einer Fahrt mit dem handbetriebenen Lastenaufzug ein. Ein bisschen mulmig ist mir schon, als ich in dieser Kiste aus Holz stehe. Sie hängt an einem Seil und Jansen zieht uns beide bis hoch in den dritten Stock. Bei den Schulkindern sei die Fahrt eines der Highlights, erzählt er mir zwischen dem dritten und dem zweiten Stock. Das glaube ich gerne.

Am Arbeitsplatz des Müllers

Um tiefer in die Arbeit eines Müllers einzusteigen, nehmen wir allerdings die Treppe nach oben. Die senkrechte Welle, die vom Getriebe im Erdgeschoss hier hoch führt, treibt jetzt eine historische, hölzerne Mühle an. Der Mühlenstein muss regelmäßig mit dem Hammer nachbearbeitet werden, erklärt Andres Jansen. Diese Mühle sei jedoch nachträglich zu Anschauungszwecken eingebaut worden, erklären mir die beiden Männer.

Ein paar Meter weiter sehe ich eine modernere Mühle mit Metallwalzen. Sie wurde 1935 in Braunschweig gebaut. Hier hat der Müllermeister Willi Nitsche bis 1987 Getreide gemahlen und geschrotet. „Die Mühle hat eine Leistung von fünf Tonnen Mehl oder zehn Tonnen Schrot täglich“, erklärt Werner Potratz.

Wir klettern immer weiter hoch, bis wir auf dem Dachgeschoss des Gebäudes angelangt sind. Drei Stockwerke hat die Mühle, dazu kommen Erdgeschoss und Boden. Der Kornspeicher befand sich im Nebengebäude. Mit einem Gebläse wurde das Getreide aus dem Kornspeicher ins Mühlengebäude befördert.

Plansichter bringt alles in Bewegung

Da drückt Andres Jansen auf einen Knopf. Neben mir kommt eine Maschine in Bewegung: der Plansichter. Der Plansichter ist ein überdimensioniertes Sieb, in dem das Mahlgut in verschiedene Fraktionen getrennt wird. Unter mir vibriert der Boden, ja, ich habe das Gefühl, dass das ganze Mühlengebäude in Schwung gerät.

Sorgen um die Standfestigkeit muss ich mir allerdings nicht machen. Denn die Mühlenfreunde haben bereits viel Geld in die Hand genommen, beispielsweise um dem Holzbock zu Leibe zu rücken. Das war 2013. Damals wurde das komplette Gebäude eingepackt und mit Gift gegen den gefräßigen Schädling begast. „In den Jahren seit dem Bestehen des Vereins haben wir über 300.000 Euro an eigenen Mitteln einschließlich der Fördergelder in die Mühle investiert“, sagt Potratz.

Die Mühlenfreunde Wahrenholz würden heute gerne die Kraft des Wassers nutzen, um Strom zu erzeugen. Doch auf die Realisierung dieser Pläne wird der Verein noch warten müssen. Die technischen Anforderungen stellen nur eine kleine Hürde dar. Die Probleme sind rechtlicher Art. Und so läuft das Mühlenrad weiterhin die meiste Zeit im Leerlauf. Es sei denn, Besucher kommen, um die Wassermühle Wahrenholz in Betrieb zu sehen und mehr über die alte Handwerkskunst des Kornmahlens zu erfahren.

Mühlenfest und Weinfest als Besuchsanlässe

Ein guter Anlass für einen Besuch der Wassermühle Wahrenholz ist das jährlich stattfindende Mühlenfest am Internationalen Mühlentag. Immer am Pfingstmontag gibt es im Hof der Wassermühle selbstgebackenen Kuchen und Torten, gegrillte Bratwurst, Mühlenschnaps und Mühlengeist und natürlich Kaffee und Erfrischungen aller Art. An diesem Tag bieten zwischen 11 und 18 Uhr traditionell auch Kunsthandwerker ihre Waren feil.

Seit drei Jahren laden die Mühlenfreunde zusätzlich zu einem Weinfest ein. Es findet üblicherweise an einem Tag im August statt und dauert vom frühen Nachmittag bis zum späten Abend. Dieses Jahr muss es leider pandemiebedingt ausfallen.

Auf mich warten zum Schluss meiner Tour durch die Wassermühle Wahrenholz noch zwei Highlights. Zum einen darf ich – wie die Schüler, die die Mühle besuchen – mit der Hand Getreide mahlen. Das erfordert ganz schön Kraft! Zum anderen „schaltet“ Andres Jansen die gewaltige historische Mühle ab. Das geht natürlich nicht per Knopfdruck. Vielmehr muss das Mühlenrad angehalten werden, damit er die Mühle quasi auskuppeln kann. Dazu stoppt er im Mühlengraben den Wasserfluss. Dann klettert er hinunter zu den großen Zahnrädern, um die Antriebswelle mit einem Hebel aus dem Gefüge zu nehmen.

Wieder einmal trete ich sehr beeindruckt die Heimreise von einem der mehr als 100 zeitORTE an.

Besichtigung der Wassermühle Wahrenholz

Interessierte und Gruppen können eine etwa 45-minütige Führung durch die vollständig restaurierte Wassermühle buchen. Um telefonische Anmeldung beim Geschäftsführer Werner Potratz, Telefon 05835-8220, oder dem Vereinsvorsitzenden Wilhelm Warneboldt, Telefon 05835-1362 wird gebeten.

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