„Meine Waffe war das Lied“ – Besuch im Hoffmann-von-Fallersleben-Museum

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Redaktioneller Artikel
Beate Ziehres
23. Juni 2021

In Fallersleben ist es wieder möglich, auf den Spuren des bekanntesten Sohnes des Wolfsburger Stadtteils durch die Zeit zu wandeln: Das Hoffmann-von-Fallersleben-Museum im M2K hat wieder geöffnet. Für mich ist das der Anlass, mich intensiver mit dem berühmten Dichter zu befassen. Und ich stelle schnell fest: Kein Ort der Welt ist dazu besser geeignet als das Museum im Fachwerkschloss Fallersleben.
© Beate Ziehres für zeitORTE.de

Während des Rundgangs ergeht es mir wie unzähligen Besuchern des Museums zuvor: Ich entdecke ganz neue Seiten der historischen Persönlichkeit. „Hoffmann war ein vielseitiger Mensch: Er war Dichter, Germanist und Freiheitskämpfer. Das macht ihn so interessant“, verrät Dennis Weilmann, Erster Stadtrat der Stadt Wolfsburg, wo die Reise hingeht.

Dann entführen mich Museumsmitarbeiterin Nicole Trnka und Weilmann, der in Wolfsburg als Dezernent neben den Bereichen Wirtschaft und Digitales auch für Kultur zuständig ist, in die Welt des Hoffmanns von Fallersleben. Der im Übrigen überhaupt kein „von“ war, sondern sich den Namenszusatz selbst zugelegt hat.


 

In der Wirtsstube politisch sozialisiert

Wir starten auf der linken Seite des Schlossgebäudes und stehen gewissermaßen gleich in der Kinderstube Hoffmanns. Der 1798 geborene August Heinrich ist in der Wirtsstube seines Vaters aufgewachsen. Schon im zarten Alter konnte der Junge hier die politischen Diskussionen am Stammtisch verfolgen. Dieses Umfeld hat seine Interessen und sein Leben geprägt.
 
Mit etwa acht Jahren begann August Heinrich Hoffmann, in der Wirtsstube aus der Zeitung vorzulesen, mit Neun verfasste er seine ersten Gedichte. „Er wusste schon zu dieser Zeit, dass er ein ganz Großer werden würde“, schmunzelt Nicole Trnka. Wobei der Junge anfangs überhaupt nicht begeistert war von der Schule. Die Museumsleiterin weiß, dass sie dem kleinen August Heinrich mit Rosinen schmackhaft gemacht wurde.  

Hoffmann: Kind der Region

Nach diesem Frühstart als „Tagesschausprecher von Fallersleben“ (O-Ton Trnka) und „Dichter“ überrascht mich nicht zu hören, dass dem Teenager Hoffmann diese Welt zu eng wurde. Mit gerade einmal 14 geht er nach Helmstedt, um im dortigen Pädagogium zu lernen. Anschließend wird er Schüler des Braunschweiger Katharineums. Nach Fallersleben kehrt er nur während der Ferien zurück.

Während dieser Zeit und als Student ist Hoffmann viel zu Fuß unterwegs, er entdeckt die Natur als Rückzugsort und diskutiert nicht nur während des Wanderns mit Wegbegleitern. Auf einer Reise lernt der Zwanzigjährige in Kassel die Brüder Grimm kennen. Zu den Grimms entwickelt sich eine Freundschaft, die Hoffmanns Leben über viele Jahre hinweg beeinflusst.

„Von Fallersleben“ – Symbol des Protestes und der Heimatverbundenheit

Als Protest gegen das etablierte System nennt er sich seit Studentenzeiten Hoffmann von Fallersleben, vielleicht auch, um sich ein besseres Standing bei den begehrten adligen Mädchen zu verschaffen. Auch sein Äußeres bringt Widerstand zum Ausdruck: „Er trägt Hipster-Klamotten, eine wilde Haartracht und einen Bart“, weiß Nicole Trnka. Auf den Gemälden im Museum ist das freilich nicht zu sehen. Im 19. Jahrhundert war es noch einfacher Bilder zu manipulieren als heutzutage mit Photoshop.
 
Als Naturfreund entdeckt Hoffmann das Volkslied für sich. Er verfasst zu traditionellen, eingängigen Melodien neue Texte, die den Freiheitsgedanken in die damals anbrechende Neuzeit transportieren. „Hoffmann schreibt volkstümlich, er will direkt in die Herzen und die Köpfe der Leute treffen“, sagt Nicole Trnka.

Einer der ersten Germanisten

Sie nennt das beliebte Kinderlied „Alle Vögel sind schon da“ als Beispiel. Ich habe ja immer gedacht, die Volksweise um Amsel, Drossel, Fink und Star sei höchst unpolitisch. Nicole Trnka erklärt mir jedoch, dass die einzelnen Vogelarten für die vielen einzelnen Länder stehen, die sich Hoffmann und seine Mitstreiter unter einem Dach geeint wünschten.
 
Angeregt durch die Gebrüder Grimm nimmt Hoffmann von Fallersleben in Bonn ein Studium des Fachs „Deutsche Sprache, Literatur und Kultur“ auf. Das klingt nicht nur hochmodern, sondern war es auch zu einer Zeit, in der nicht einmal verbindliche Rechtschreiberegeln existierten.
 
So beschäftigt sich der Literat 100 Jahre vor der Veröffentlichung der ersten Auflage des Dudens mit alten Texten, Mundarten und Sprachen. Hoffmann begründet die Niederlandistik und tritt schließlich seine erste Stelle an der Universität Breslau an. Dort arbeitet er sich bis zum Professor für Germanistik hoch.

Revolution! Hoffmanns Waffe ist das Lied

Als Reaktion auf das damals aufkeimende Vereinswesen gründet Hoffmann in Breslau den Verein „Zweckloses Leben und Treiben“. Später fliegt er wegen revolutionären Veröffentlichungen von der Universität Hannover, wo er als Dichter angestellt war. Er reist durchs Land an die Orte der Revolution, um die Ideen der Aufständischen, mit denen er sich identifiziert, zu dokumentieren. Doch Hoffmann bleibt immer Literat und Freiheitskämpfer, als Politiker hat er sich nie gesehen.
 
Hoffmanns Wirken, sein Leben, seine Liebe – all das ist im linken Flügel des Fallersleber Schlosses anhand von Zeitleisten und Exponaten anschaulich und kurzweilig dargestellt. Die Ausstellung, die aus dem Jahr 2014 stammt, genügt modernsten Ansprüchen. Sie stellt lokale Bezüge her und führt anhand der Person Hoffmann von Fallersleben ins 19. Jahrhundert. In dieser Zeit wurden die Fundamente für unsere moderne Welt gelegt und Hoffmann war daran beteiligt.

Zweiter Teil der Dauerausstellung: Musik, Musik

Im rechten Schlossflügel befindet sich der zweite Teil der Dauerausstellung. Sie widmet sich Hoffmanns musikalischem Werk. Hier darf lauthals gesungen, musiziert und gespielt werden. Nebenbei lerne ich eine ganze Menge. Wer hätte gedacht, dass Hoffmann hunderte von Kinderliedern schuf? „Morgen kommt der Weihnachtsmann“ zählt dazu, „Summ, summ, summ“ und „Der Kuckuck und der Esel“.
 
Dem bekanntesten Lied Hoffmanns, dem „Lied der Deutschen“ gehört der finale Raum des Rundgangs durch das Museum. Ein großer „Setzkasten“ bietet Anregung zum Nachdenken und zur Diskussion über die eigene Haltung zu „Einigkeit und Recht und Freiheit“. Übrigens hatte der Dichter die Idee zum „Lied der Deutschen“ auf Helgoland. Das Lied, das 1922 zur Nationalhymne wurde, soll im Jahr 1841 während eines Spaziergangs auf den Klippen entstanden sein.
 
Und weil sich die Geschichte immer wiederholt, sei hier Nicole Trnkas Kommentar zur Entstehung des Liedes wiedergegeben: „Er wusste, dass es ein Hit werden würde.“ Hoffmann hat sich auch in diesem Fall nicht geirrt. Bereits kurze Zeit nach der Veröffentlichung sangen Chöre das eingängige Lied.

Hoffmanns Elternhaus kann besucht werden

Wer nun weiter auf Hoffmanns Spuren wandeln möchte, wende seine Schritte zum Hoffmann-Haus in Fallersleben. Das Elternhaus des großen Dichters, Germanisten und Freiheitskämpfers steht nur einige Meter vom Schloss entfernt und ist immer noch eine Gaststätte. Heute wird hier allerdings weniger politisiert als vielmehr gutbürgerlich deutsch gegessen und übernachtet.
 
Und auch sonst ist der berühmteste Sohn Fallerlebens in der Stadt überall präsent: als Büste, als Namensgeber für Brunnen, Ereignisse aller Art und sogar als Namenszusatz für Fallersleben, das sich auch gerne Hoffmannstadt nennt.  

Zur Planung für deinen Besuch

Aktuelle Öffnungszeiten:
Donnerstag und Freitag 14:00-17:00 Uhr, Samstag 13:00-17:00 Uhr und Sonntag 11:00-17:00 Uhr

Anschrift und Kontakt:
Hoffmann-von-Fallersleben-Museum im M2K
Schloss Fallersleben
Schloßplatz 5, 38442 Wolfsburg

Telefon: 05362 52623
www.wolfsburg.de/hoffmann-museum

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