Korn- und Senfmühle Blumenhagen: Feinschmecker erwecken jahrhundertealte Technik zu neuem Leben

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Redaktioneller Artikel
Beate Ziehres
12. Juli 2020

Am Anfang war die Begeisterung für Senf. Dann kam die Mühle dazu und ein Rädchen fasste ins andere. Aber eigentlich war die alte Mühle in Blumenhagen schon vorher da. Verwirrend! Deshalb bin ich auf dem Weg in die Gemeinde Edemissen (Landkreis Peine), um Licht ins Dunkel dieser Geschichte zu bringen.

© Beate Ziehres für zeitORTE.de

In Blumenhagen am Rand der Südheide pfeift an diesem Tag ein ganz schöner Wind. Er treibt beängstigend dunkle Wolken in Richtung Mühle. Ob das ein Omen ist? Ich denke mir, dass hier auf dem flachen Land eigentlich eine Windmühle stehen müsste. Von Swantje Hupel und Henning Treumann erfahre ich später, dass es in Blumenhagen tatsächlich eine Windmühle gab.

Das Paar aus Meerdorf hat die heute bestehende Motormühle im Jahr 2008 gekauft, nachdem sich die Beiden schon beim ersten Besuch in das Objekt verliebt hatten. „Beim Anblick der historischen Maschinen habe ich gesagt: gekauft!“, erinnert sich Henning Treumann schmunzelnd.

Heute betreiben die Besitzer die Korn- und Senfmühle Blumenhagen als Gewerbebetrieb und Museum. Dass sich Henning Treumann beruflich mit Elektrotechnik gut auskennt und Swantje Hupel Bauingenieurin ist, dürfte auf dem Weg bis hierher nicht geschadet haben.

Wie Senf, Korn und Mühle zusammenpassen

Mir drängt sich an dieser Stelle die Frage auf, was Senf mit Korn und einer traditionellen Mühle zu tun haben. Dazu müssen Hupel und Treumann einen kleinen Exkurs in die jüngere Vergangenheit unternehmen. Im Jahr 2006 entdeckten die beiden Hobbyköche und Feinschmecker beim Urlaub in Dänemark Produkte aus einer kleinen Senfmühle.

Überrascht vom Geschmack des handwerklich hergestellten Senfs begannen sie zu experimentieren und selbst Senf herzustellen. An dieser Stelle lerne ich, dass Senf auch gemahlen wird. Nun kann ich Treumanns Begeisterung für die alte Motormühle verstehen.

„Die Mühle war in einem guten Zustand und sollte auch erhalten bleiben.“

erinnert sich Treumann.

Er restaurierte die Technik und arbeitete sich in die Müllerei ein. Seitdem öffnet die Korn- und Senfmühle Blumenhagen unter anderem am Mühlentag und am Tag des offenen Denkmals. Doch auch Führungen sind möglich.

Anlässlich meines Besuchs im Museum drückt Henning Treumann ebenfalls den Schalter. Alle Räder und Bänder setzen sich geschmeidig in Bewegung, der Lärm ist beeindruckend. Gemahlen wird in der Mühle mit Metallwalzenvermahlung allerdings nicht mehr. „Dies ist die letzte Stufe der handwerklichen Müllerei. Die Mühle schafft eine Tonne Getreide pro Tag. Eine Charge geht automatisch zehnmal durch die Anlage, der Durchgang dauert etwa 12 Stunden. Wem sollen wir eine Tonne Mehl verkaufen?“

Da weder die Betreiber der Mühle noch ich diese Frage beantworten können, fuhr Henning Treumann eines Tages nach Österreich und kaufte auf einem Almbauernhof eine Hofmühle aus den 1950er-Jahren. In dieser Mühle mahlt Treumann nun im Zentnermaßstab. Das Mehl ist im Mühlenladen erhältlich.

Von einem Müller, der im Krieg blieb...

Nun möchte ich aber doch wissen, wie die Motormühle nach Blumenhagen kam. Da erzählt mir Henning Treumann eine traurige Geschichte, beginnend mit einer Windmühle. Es ist das Jahr 1894, als der Blumenhagener Müller August Brennecke bei Magdeburg eine Windmühle „auf Abbruch“ kauft. Das gute Stück wird abgebaut, nach Blumenhagen transportiert und am Westrand des Ortes wieder aufgestellt. „Es war damals durchaus so üblich“, weiß Treumann.

So lebten sie glücklich und zufrieden, könnte man sagen. Auch ein Sohn der Familie wurde Müller. Arnold Brennecke ging auf Wanderschaft, wie es schon im Volkslied    

„Das Wandern ist des Müllers Lust“ romantisierend besungen wird. 1938 kehrte Arnold als Müllermeister nach Blumenhagen zurück, kaufte eine Hofstelle aus dem Jahr 1928 und begann, eine Motormühle zu planen.

Inzwischen prasselt der Regen auf das Dach eben dieses Hauses. Im schwachen Licht kann ich Arnold Brenneckes Wanderschaft anhand von Dokumenten verfolgen. Sie sind Teil der kleinen Ausstellung, die Henning Treumann und Swantje Hupel im Obergeschoss, der sogenannten Absackung, aufgebaut haben.

Nun kommt Henning Treumann zum tragischen Teil der Mühlengeschichte. Denn des Müllers Pläne werden vom Beginn des 2. Weltkriegs durchkreuzt. Die bereits gekauften Maschinen stehen im Haus, aber der Müller muss einrücken. Im Dezember 1944 heiratet er Liesbeth aus dem Weserbergland. Die Braut ist bei der Rheinisch-Westfälischen Wasserreinigungsgesellschaft in Berköpen beschäftigt.

Töchterchen Ulrike lernt ihren Vater niemals kennen. Jahrzehntelang wartet Liesbeth, die keine Ahnung von der Müllerei und den Maschinen im Haus hat, auf die Rückkehr ihres Mannes. Als es um das Jahr 1948 den Müllermeister Max Zühlke von der Insel Wollin mit seiner Familie nach Blumenhagen verschlägt, bietet Liesbeth Brennecke ihm einen Pachtvertrag an.

...und einer armen Witwe

Max Zühlke realisiert Arnold Brenneckes Pläne, er nimmt die elektrisch betriebene Motormühle in Betrieb. „Liesbeth wollte, dass Arnold bei seiner Rückkehr aus dem Krieg die Mühle im Originalzustand vorfindet und übernehmen kann. Deshalb bekam Max Zühlke immer nur kurze Pachtverträge. Er durfte auch nur minimale Änderungen umsetzen und saß gewissermaßen immer auf gepackten Koffern“, mutmaßt Henning Treumann.

Der Zustand dauerte an, bis Max Zühlke 1975 in den Ruhestand ging und die Mühle verließ. „Das Kalenderblatt von diesem Tag hängt dort noch“, zeigt Treumann zum Wandkalender. Letztlich kann Treumann über diesen Umstand allerdings froh sein. „Technisch ist die Mühle etwa 100 Jahre alt und im Originalzustand erhalten“, sagt er.

Henning Treumann berichtet auch, dass Elisabeth Brennecke sehr zurückgezogen lebte. In ihrem Haus – dem Mühlengebäude – gab es kein fließendes Wasser und nur ein  Plumpsklo. Erst nach Stilllegung der Mühle im Jahr 1975 wurde ein Bad eingebaut. „Elisabeth muss gerade so über die Runden gekommen sein“, vermuten Hupel und Treumann. Die Witwe verstarb 2006 und ihre Tochter, die nie geheiratet hatte, nur ein Jahr später.

Kleine Senfkunde

Nun steigen wir die ausgetretenen Holzstufen hinunter auf den Mahlboden. Ich würde diese Ebene Erdgeschoss nennen. Hier arbeiten – wie der Name vermuten lässt – die Mahlwerke der Museumsmühle. Henning Treumann öffnet eine Klappe und lässt mich die drehenden Metallwalzen begutachten.

Und nun kommen wir zu Swantje Hupels Reich – der Senfmüllerei. Sie hat im vergangenen Jahr in einem Nebenraum der Mühle Platz gefunden. Seitdem

ist Eulensenf aus Blumenhagen nicht mehr nur für Freunde und Bekannte der beiden Mühlenbetreiber erhältlich, sondern wird professionell vermarktet.

Ich darf Swantje Hupels Senfreich erst betreten, nachdem ich versprochen habe, keine Bilder zu machen und keine Betriebsgeheimnisse auszuplaudern. Doch ein bisschen was verrät Swantje Hupel schon. Beispielsweise, dass die Kunst des Senfmachens unter anderem darin besteht, den Senf möglichst lange stabil zu halten.

Das Haltbarkeitsproblem liegt in den flüchtigen Senfölen begründet. Sogar durch den Deckel des Glases kann das Senföl diffundieren. „Deshalb kann traditionell hergestellter Senf mit der Zeit muffig werden und der gute Geschmack verschwindet.“

In Blumenhagen kommt eine Mischung von Gelb- und Braunsenf zum Einsatz. Die gelben Senfkörner aus Deutschland sind für das Senfaroma und die Masse verantwortlich. Braunsenf bestimmt die Schärfe. „Dijon besteht beispielsweise nur aus braunem Senf und ist deshalb schärfer“, erklärt Swantje Hupel.

In einem ersten Arbeitsschritt schrotet sie die Mischung aus den beiden Arten von Senfkörnern. Anschließend wird eine Maische aus Senfschrot, Essig als natürlichem Konservierungsmittel und Gewürzen hergestellt. Über die Gewürze sprechen wir lieber nicht, sie sind das große Geheimnis eines jeden Senfproduzenten. „Wir nutzen nur ausgesuchte Zutaten. Die Qualität jeder einzelnen Zutat ist von Bedeutung, wenn man einen Gourmetsenf wie unseren Eulensenf herstellen will“, betont Swantje Hupel.

Die Maische wird schließlich in einer Steinmühle nass vermahlen. „Die Technik der Langsam-Vermahlung bewirkt, dass der Senf während des Mahlens nicht zu warm wird. Die aromatischen Senföle verflüchtigen sich nämlich schon ab etwa 35 Grad Celsius“, erklärt sie.

„Lokale Produkte sind der richtige Weg“

Ich erfahre, dass lokale Senfmühlen eine lange Tradition haben. Und dass jeder einzelne Senf aus dem Eulen-Sortiment eine eigene Geschichte hat. So begab sich das Paar irgendwann auf die Suche nach einer lokalen süßen Zutat für einen Senf zur Weißwurst.  „Was lag da näher als die Zuckerrübe?“, schmunzelt Hupel. Die Senfspezialität „Süße Rübe“ war geboren und entwickelte sich zum Verkaufsschlager. „Die ‚Süße Rübe’ passt auch gut zu Käse und aufs Ei.“

Fans von fruchtig-süßem Senf werden begeistert sein vom Mirabellensenf. Und auch ich finde nach einer ausführlichen Verkostung meine Favoriten. Es ist einmal der feurige Orangen-Pfeffersenf mit einer zart fruchtigen Note. Zum anderen begeistert mich der Cajun Gewürzsenf, der bei mir Erinnerungen an einen Ausflug in die Südstaaten der USA weckt.

„Unser Senf muss eine eigene Note haben. Wir betreiben echte Senfmüllerei, sprich, alle Zutaten werden zusammen vermahlen. Nur so geht das Aroma in den Senf über. Senf mit Marmelade kommt bei uns nicht ins Glas“, betont Henning Treumann. Und Swantje Hupel ergänzt: „Unser Anspruch ist, aus heimischen Zutaten etwas Gutes herzustellen. Lokale Produkte sind der richtige Weg!“

Mühlenladen hat wieder geöffnet

Der frisch renovierte kleine Hofladen der Korn- und Senfmühle Blumenhagen ist jetzt zu festen Zeiten geöffnet: Donnerstag und Freitag jeweils von 15 bis 18 Uhr und gerne nach telefonischer Absprache.

Besonderer Tipp

Die Senfmühle ist einer der Bestandteile der GenießerManufakt(o)ur im Peiner Land. Bei der Tour besuchen Sie außerdem Pelikan und erkunden das Werk bei einer Führung, außerdem geht es in die BrauManufakrut Härke - inkl. Vesper. Diese besondere Tour wird von der Tourist-Info Peiner Land an ausgewählten Terminen angeboten. Das Angebot kann hier online gebucht werden.

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